“Das reicht nicht” – EVG stimmt über unbefristete Bahn-Streiks ab

– von Klaus Lauer und Oliver Ellrodt

Berlin (Reuters) – Den Reisenden der Deutschen Bahn drohen in den anstehenden Sommerferien unbefristete Streiks.

Nach der gescheiterten Tarifrunde mit dem Staatskonzern (DB) rief die Eisenbahnergewerkschaft EVG zur Urabstimmung auf. Dies dürfte etwa vier bis fünf Wochen dauern, sagte EVG-Chef Martin Burkert am Donnerstag in Berlin. “Unbefristete Streiks werden dadurch möglich.” Die EVG will sich erst nach der Urabstimmung zu ihren Streikplänen äußern. Burkert schloss jedoch während des Votums von 110.000 Mitgliedern Warnstreiks nicht aus. Er machte aber deutlich, dass die Gewerkschaft weiter verhandlungsbereit sei. “Um zu einem Abschluss zu kommen, muss die DB AG jetzt noch einmal ordentlich nachlegen”, sagte Burkert.

Beide Seiten schoben sich wie in Tarifkonflikten üblich den schwarzen Peter zu. Denn Streiks in der Urlaubszeit dürften in der Bevölkerung auf wenig Verständnis stoßen. “Die EVG will jetzt Millionen Menschen die Sommerferien vermiesen”, erklärte die Bahn. “Es ist ein Unding, die Reisenden ständig mit Streikdrohungen zu verunsichern.” Der Konzern kritisierte das Vorgehen der EVG als absolut unnötige Eskalation. “Wir waren ganz kurz vor dem Abschluss.” Es lägen 140 Seiten unterschriftsreifer Tarifvertrag auf dem Tisch. “Alles bisher in den Verhandlungen erreichte ist nun weg.” Ein Ergebnis werde durch die Urabstimmung um Monate verzögert.

ERWARTUNG BEIM LOHN UNERFÜLLT – VERHANDLUNG GESCHEITERT

Die EVG hingegen monierte, die von der Bahn angebotene Laufzeit von 27 Monaten sei deutlich zu lang, die Lohnerhöhung zu niedrig und zu spät. “Das reicht nicht”, betonte Burkert. “Dass wir unsere Forderung nicht in voller Höhe durchsetzen werden, ist völlig klar, aber in die Nähe wollen wir schon kommen.” Bei vielen Forderungen haben man zuletzt eine Möglichkeit gesehen, sich zu einigen. “Wenn aber in der entscheidenden Frage der Lohnerhöhung die Erwartungshaltung unserer Mitglieder nicht erfüllen wird, scheitern die Verhandlungen”, erklärte der EVG-Vorsitzende. Der Verhandlungsführer der Gewerkschaft, Kristian Loroch, sagte zu einer möglichen Schlichtung, dies könne man sich zwar grundsätzlich vorstellen. Geplant sei jetzt aber etwas Anderes.

Die EVG hatte ursprünglich zwölf Prozent mehr Lohn gefordert, mindestens aber 650 Euro im Monat mehr – bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Gewerkschaft verhandelt für rund 230.000 Beschäftigte bei rund 50 Bahn- und Busunternehmen, darunter etwa 180.000 bei der Deutschen Bahn. Jüngst hat die EVG Tarifabschlüsse mit mehreren privaten Konkurrenten des Staatskonzerns erzielt. Die Vereinbarungen etwa mit der Transdev-Gruppe beinhalten insgesamt 420 Euro mehr Lohn sowie Inflationsausgleichsprämien von rund 1000 Euro oder mehr, bei einer Vertragslaufzeit von 21 Monaten.

Die Bahn hatte zuletzt einen “hohen Festbetrag” sowie einen zusätzlichen Inflationsausgleich von 2850 Euro netto bei 27 Monaten Laufzeit und weiteren strukturellen Verbesserungen in Aussicht gestellt. EVG-Tarifvorständin Cosima Ingenschay erklärte, Verhandlungsstand mit der Bahn sei zuletzt ein Festbetrag von 400 Euro in zwei Schritten gewesen – im Dezember 2023 und im August 2024. Dies sei nicht ausreichend.

Über den Verhandlungen schwebten seit Anfang Juni auch die Forderungen der konkurrierenden Lokführergewerkschaft GdL. Deren Chef Claus Weselsky kündigte jüngst mit gewohnt scharfer Rhetorik die Wunschliste der GdL an. Kernpunkte sind etwa 555 Euro mehr Geld pro Monat und eine Erhöhung der Zulagen für Schichtarbeit um 25 Prozent. Zudem plädiert die GDL für eine Absenkung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden pro Woche für Schichtarbeiter bei vollem Lohn und für eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von 3000 Euro – unabhängig ob für Teilzeit- oder Vollzeitarbeitnehmende. Ferner fordert die Gewerkschaft einen Anstieg des Arbeitgeberanteils von derzeit 3,3 auf fünf Prozent für die betriebliche Altersvorsorge, die Einführung der Fünf-Schichten-Woche für Personal im Schichtdienst und eine Tariflaufzeit von maximal zwölf Monaten. Für die GDL gilt noch eine Friedenspflicht bis Ende Oktober.

(Bericht von Klaus Lauer und Oliver Ellrodt, redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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