Wirtschaftsweise Schnitzer – Deutsche Wirtschaft stagniert 2023

– von Klaus Lauer

Berlin (Reuters) – Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, rechnet im laufenden Jahr weitgehend mit einer Stagnation der deutschen Wirtschaft.

“Das Wachstum wird bei plus/minus Null sein”, sagte die Regierungsberaterin und Vorsitzende des Sachverständigenrats am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Ab der zweiten Jahreshälfte werde es wohl eine Erholung geben. “Das hängt von China ab.” Zudem schlage sich die straffere Geldpolitik zunehmend auf die Wirtschaft nieder. “Die Europäische Zentralbank hat die Zinsen ja auch erhöht, um die Konjunktur zu drosseln”, sagte Schnitzer am Rande einer Veranstaltung zu 60 Jahren Sachverständigenrat in Berlin.

Die deutsche Wirtschaft war Ende 2022 und Anfang 2023 jeweils zum Vorquartal geschrumpft. Sie befindet sich damit nach einer Daumenregel von Fachleuten in einer technischen Rezession. Der Sachverständigenrat hatte erst im März seine Prognose für die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes 2023 auf plus 0,2 Prozent von minus 0,2 Prozent erhöht. Das Münchner Ifo-Institut senkte am Mittwoch seine Schätzung für das laufende Jahr auf minus 0,4 Prozent, das gewerkschaftsnahe IMK-Institut kappte seine Prognose auf minus 0,5 Prozent. Auch Direktor Michael Hüther vom arbeitgebernahen IW-Institut gibt sich skeptisch. “Es bleibt eine Stagnation.” Mit Blick auf Investitionen verbreitete der Ökonom keine Zuversicht: “Da kommt nichts in Gang.” Auch von der Weltwirtschaft – etwa von den beiden Schwergewichten USA und China – könne man nur wenig Impulse erwarten.

“Es ist eine kritische Situation”, sagte der Wirtschaftsweise Achim Truger im Reuters-Interview mit Blick auf die Konjunktur. “Für die EZB wird es immer schwieriger.” Die Zentralbanker um EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatten im vergangenen Sommer mit einer Serie von Zinserhöhungen begonnen und vorige Woche zum achten Mal in Folge die Geldpolitik gestrafft. Für Juli stellte Lagarde bereits einen nächsten Schritt in Aussicht. “Die EZB muss sehr aufpassen, dass sie nicht überdreht an der Zinsschraube”, betonte Truger.

“ES WIRD NICHT BESSER – AUCH NICHT DRAMATISCH SCHLECHTER”

Anders äußerte sich seine Kollegin im Sachverständigenrat, Ulrike Malmendier. Sie plädierte dafür, dass die Europäische Zentralbank die Geldwertstabilität ins Zentrum rücken und notfalls die Zinsen weiter straffen sollte, um die Inflation weiter zu senken. Es sei richtig, dass die EZB hier auch einen Rückgang der Wirtschaftskraft in Kauf nehme, sagte die Finanz-Expertin zu Reuters. Die EZB müsse nun von Monat zu Monat schauen, wie es mit der Zinspolitik weitergehe. Mit Blick auf die deutsche Konjunktur erklärte Malmendier: “Es wird nicht unbedingt besser, aber es wird auch nicht dramatisch schlechter.” Viel hänge von der Inflation und der Zinspolitik ab. Folgen davon seien bereits am Bau zu sehen. Dort haben steigende Kosten und anziehende Kreditzinsen zu einem Einbruch beim Wohnungsbau geführt.

Mit Blick auf China, Deutschlands wichtigstem Handelspartner, warnte Schnitzer vor zu großer Abhängigkeit. Bei den Importen machten die Firmen aber Pläne, sich bei Lieferketten breiter aufzustellen. Bei großen Konzernen müsse es quasi eine Art Stresstest geben zum China-Geschäft. Hier solle überprüft werden, was für Risiken drohten, sollte es zu geopolitischen Spannungen kommen. “Denn am Ende muss der Staat helfen.” Deshalb müsse Politik hier auf so einen Stresstest drängen. In puncto Exporten sieht Schnitzer derzeit wenig Alternativen bei deutschen Unternehmen. Viele würden sogar zunehmend in China produzieren und setzten dabei auf heimischen Input. Bundeskanzler Olaf Scholz betonte, im Verhältnis mit China sei nun ein “De-Risking” wichtig und Deutschland dürfe nicht abhängig sein. Bedeutsam sei, dass die Unternehmen sich entschieden, nicht nur eine Bezugsquelle, einen Absatzmarkt und einen Ort für Direktinvestitionen zu haben.

(Bericht von Klaus Lauer. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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