Istanbul (Reuters) – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die in den USA ausgebildete Finanzmanagerin Hafize Gaye Erkan zur neuen Gouverneurin der Zentralbank des Landes ernannt.
Erkan, die erste Frau an der Spitze der Notenbank, übernimmt das Amt knapp eine Woche nachdem Erdogan mit seinem neuen Finanzminister, dem an den Märkten hoch angesehenen Ökonom Mehmet Simsek, eine Abkehr von seiner unkonventionellen Finanzpolitik signalisiert hatte. Die Ernennung wurde am Freitag im offiziellen Amtsblatt veröffentlicht. Der Finanzmarkt reagierte skeptisch. Die türkische Lira setzte ihre Talfahrt am Freitag fort. Der Dollar baute seine Gewinne aus und legte zeitweise in der Spitze 1,8 Prozent auf ein Rekordhoch von 23,5368 Lira zu.
Die an der Princeton University in den USA promovierte Finanzmanagerin löst Sahap Kavcioglu ab, der in den vergangenen Jahren den unorthodoxen Zinssenkungskurs von Erdogan umgesetzt hatte. Dies hatte 2021 zu einem historischen Absturz der Landeswährung Lira geführt und die Inflation im vergangenen Jahr zeitweise auf über 85 Prozent hochgetrieben.
Mit der Nominierung von Erkan ist Experten zufolge nun die Hoffnung auf einen Wandel in der Geldpolitik verknüpft. Die wichtigste Frage für die neue Notenbankchefin werde sein, “ob ihr Unabhängigkeit gewährt wird, um die Geldpolitik in Richtung einer ‘rationalen Politik’ zu steuern”, sagte etwa Selva Demiralp, Wirtschaftsprofessorin an der Koc-Universität und ehemalige Volkswirtin der US-Notenbank. Um Glaubwürdigkeit zu gewinnen und die Markterwartungen mit einer Minimaldosis an Zinserhöhungen in der Spur zu halten, müsse Erkan sicherstellen, dass die Niedrigzinspolitik begraben werde.
Erkans geldpolitische Haltung ist unklar. Die 43-Jährige mit einer Karriere an der Wall Street und in Führungsetagen von US-Finanzunternehmen ist bislang nicht in der Notenbankwelt in Erscheinung getreten. Erkan studierte an der Bogazici University in Istanbul, hat einen Abschluss im Advanced Management Programm der Harvard Business School und erhielt ihren Doktortitel an der Princeton University in Operations Research and Financial Engineering. Sie stieß 2005 zu Goldman Sachs und wurde 2011 Managing Director bei der Investmentbank. Von 2014 bis 2021 war sie bei der First Republic Bank tätig – zuletzt als Co-Vorstandschefin des inzwischen pleite gegangenen US-Geldhauses. Erkan ist zudem Mitglied im Direktorium des US-Finanzberaters Marsh McLennan. Beim Immobilien-Investor Greystone wurde sie im Sommer 2022 zur Vorstandschefin ernannt.
Ihr gesamtes bisheriges Berufsleben hat Erkan außerhalb der Türkei verbracht. Laut Kathryn Wylde, Chefin der Non-Profit-Organisation Partnership for New York City, in deren Direktorium Erkan saß, hat sie sich eine Reputation als harte, intelligente und effektive Managerin erarbeitet. “Sie ist sicherlich niemand, der sich herumschubsen lässt.” Sie habe auch ein großes Interesse an Politik bekundet sowie am Wohlergehen der Gemeinschaft. “Somit ist es keine Überraschung, dass sie den öffentlichen Dienst in Betracht zog”, sagte Wylde.
UNORTHODOXER KURS DER NOTENBANK
Die Finanzmanagerin folgt als fünfte Zentralbank-Spitze in nur vier Jahren Sahap Kavcioglu. Dieser wurde zum Leiter der staatlichen Bankenaufsicht BDDK ernannt. Der letzte Notenbank-Gouverneur der Türkei, der die Zinsen erhöht hatte, war Naci Agbal gewesen. Erdogan hatte ihn 2021 nach weniger als fünf Monaten im Amt vor die Tür gesetzt. Damals lag der Leitzins in der Türkei noch bei 19 Prozent. Inzwischen ist er drastisch auf 8,5 Prozent gesenkt worden.
Der türkische Präsident der sich selbst als “Zinsfeind” bezeichnet, wollte mit billigem Geld die Wirtschaft anschieben. Als Folge wertete die Landeswährung Lira drastisch ab, was wiederum das Inflationsproblem verschärfte. Die Türkei muss viele Waren und Rohstoffe aus dem Ausland importieren, die durch die schwache Lira immer teurer wurden. Experten hatten zuletzt wiederholt gewarnt, die Wirtschaft steuere bei einer Fortsetzung der derzeitigen Politik auf Turbulenzen zu, da ihre Devisenreserven erschöpft sind.
(Bericht von Daren Butler und Ali Kucukgocmen, Jonathan Spicer; Geschrieben von Frank Siebelt, redigiert von Kerstin Dörr.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)











