US-Jobmotor läuft rasant – Doch Fed erwägt nach Zinsserie Pause

Washington (Reuters) – Trotz der massiven Zinserhöhungen in den USA ist der Boom am Arbeitsmarkt ungebrochen.

Es kamen im Mai 339.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu, wie die Regierung in Washington am Freitag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten lediglich 190.000 neue Stellen erwartet. Zu ihrer Überraschung wurde auch der Jobaufbau vom April um 41.000 auf 294.000 nach oben revidiert. “Eigentlich müsste die Fed den Leitzins weiter erhöhen. Das bisherige Zinsstraffungsausmaß, Wirkungsverzögerungen und schärfere Kreditvergabebedingungen deuten aber auf eine Zinspause hin”, so Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank.

Das sehen auch Händler an den Terminmärkten so: Die Chance auf eine Zinserhöhung am 14. Juni wurde lediglich auf 25 Prozent geschätzt. Als Richtschnur dienen auch Äußerungen aus der Führungsetage der US-Notenbank Federal Reserve, die darauf hindeuten, dass die Zentralbank die Füße still halten will. Laut dem als Vize-Notenbankchef nominierten Fed-Direktor Philip Jefferson würde ein solches Innehalten es erlauben, weitere Wirtschaftsdaten zu sichten. Später könnte die Notenbank dann entscheiden, was an zusätzlicher geldpolitischer Straffung noch nötig sei.

Die Fed hat die Zinsen seit Anfang 2022 von nahe null auf die Spanne von 5,00 bis 5,25 Prozent angehoben, um die hohe Inflation einzudämmen und den heiß gelaufenen Arbeitsmarkt abzukühlen. Zuletzt stieg trotz der konjunkturdämpfenden Zinsserie überraschend auch die Zahl der offenen Stellen, ein Maß für die Nachfrage nach Arbeitskräften. Der Jobaufbau im Mai ist nun ein weiteres Signal der Stärke: Laut einer Faustregel von Volkswirten genügt bereits ein Plus von 70.000 bis 100.000 Stellen pro Monat, um die wachsende US-Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter mit Jobs zu versorgen.

ARBEITSLOSENQUOTE STEIGT

Dass die Arbeitslosenquote im Mai trotz des massiven Stellenaufbaus auf 3,7 von 3,4 Prozent im April gestiegen ist, mutet zunächst paradox an. Doch die Zahlen basieren auf zwei verschiedenen Datensätzen: eine Haushaltsumfrage, aus der die Arbeitslosenquote berechnet wird, und einer Arbeitgeberumfrage, aus der die Jobzahlen gewonnen werden. Daraus ergibt sich, dass die Zahl der Beschäftigten um 310.000 zurückging, wohingegen die sogenannte Labor Force um 130.000 anstieg: “Letzteres ist im Grunde konjunkturell positiv zu bewerten, trug allerdings zusätzlich zu einer höheren Arbeitslosenquote bei”, erläuterte NordLB-Analyst Bernd Krampen. Das Labor-Force-Konzept ist ein in den USA entwickeltes Modell zur statistischen Erfassung der Erwerbsbevölkerung. Es geht nicht von der Gesamtbevölkerung aus, sondern von der Gesamtheit aller in Privathaushalten lebenden Personen ab 15 Jahren – der sogenannten Erwerbsbevölkerung.

Mit Blick auf den Inflationsdruck richtet die Fed ihr Augenmerk auch auf das Lohnwachstum. Die durchschnittlichen Stundenlöhne legten im Mai um 4,3 Prozent zum Vorjahr zu, nach 4,4 Prozent im April. Von Reuters befragte Experten hatten ein Plus von 4,4 Prozent auf dem Zettel. Gleichzeitig legten die durchschnittlichen Stundenlöhne nur um 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat zu, nachdem es im April noch ein Plus von 0,4 Prozent gegeben hatte.

“Abgesehen vom robusten Stellenaufbau zeigen die Daten eine Beruhigung am Arbeitsmarkt an”, so das Fazit der Commerzbank-Ökonomen Christoph Balz und Bernd Weidensteiner. Dies erlaube es der Fed, auf der nächsten Sitzung stillzuhalten und zumindest eine Pause bei den Zinserhöhungen einzulegen: “Die US-Notenbank kann dann erst einmal die weitere Entwicklung abwarten und bei Bedarf später noch nachlegen.”

(Büro Washington, geschrieben von Reinhard Becker. Redigiert von Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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