Frankfurt (Reuters) – Nach dem Sprung über die psychologisch wichtige Marke von 16.000 Punkten haben die Dax-Anleger am Dienstag Höhenangst bekommen.
Vor allem die Zinssitzung der US-Notenbank Fed am Mittwoch und die einen Tag später folgende Entscheidung der Europäischen Zentralbank warfen ihre Schatten voraus. “Die Investoren wollen in dieser Woche endlich Klarheit darüber bekommen, wie es mit den Zinsen weitergeht und die Notenbanker die aktuelle und zukünftige Lage der Wirtschaft einschätzen”, sagte Konstantin Oldenburger, Analyst vom Broker CMC Markets. Die meisten Marktteilnehmer rechneten mit einer weiteren Leitzinsanhebung in den USA um 25 Basispunkte. “Über das Danach aber herrscht Uneinigkeit zwischen der Fed und dem Markt.” Während Anleger bereits mehrere Zinssenkungen noch in diesem Jahr einpreisten, signalisiere die Fed bislang keine Lockerungen für 2023. Bei der EZB ist noch länger kein Ende der Straffungen absehbar. Nach Monaten mit nachlassendem Preisschub hat sich die Inflation im Euro-Raum im April wieder leicht verstärkt, was den Druck auf die Zentralbank verschärft.
Der deutsche Leitindex Dax notierte am Nachmittag 0,4 Prozent tiefer bei 15.859 Punkten. Zuvor hatte er zeitweise 0,6 Prozent höher bei 16.011 Punkten notiert und war damit erstmals seit Januar 2022 über die runde Marke gekommen. Sein europäisches Pendant, der EuroStoxx50, verlor ebenfalls 0,4 Prozent auf 4339 Zähler. An der Wall Street zeigten sich die wichtigsten Indizes vorbörslich leicht im Minus.
BANKENWERTE NACH FIRST-REPUBLIC-ÜBERNAHME UNENTSCHIEDEN
Die Reaktion auf die Rettungsübernahme der US-Regionalbank First Republic durch den Branchenriesen JP Morgan fiel gemischt aus. Analysten zufolge freuten sich Investoren einerseits, dass eine neue Finanzkrise zunächst abgewendet schien. Andererseits machten sie sich Sorgen um die langfristige Entwicklung im globalen Banksystem. “Es ist die zweitgrößte Bankenpleite in der Geschichte der USA und die Bank ist bereits die dritte, die aufgrund der steigenden Zinsen und mangelnder Liquidität die Türen schließen muss”, sagte Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege bei RoboMarkets. “Zwar war auch die First Republic ähnlich wie die Silicon Valley Bank auf Startup-Finanzierungen spezialisiert, dennoch ist der Trend der Bankenpleiten in den USA ein äußerst ungesunder.” Zudem führten die Konsolidierungen im Markt dazu, dass die als “too big to fail” angesehenen Banken noch größer würden, was die Risiken nicht gerade verringere.
Die Stimmung im europäischen Banken-Sektorindex hellten überraschend starke Quartalszahlen von HSBC auf. Die Papiere des britischen Geldhauses stiegen um 5,6 Prozent. Der Umsatz habe bei zinslosen Erträgen beachtliche Stärke gezeigt, urteilten die Analysten von Jefferies.
Spekulationen auf einen Bieterwettkampf trieben den Kurs der Software AG um knapp neun Prozent bis auf 33,64 Euro nach oben. Der Finanzinvestor Silver Lake bietet 30 Euro je Aktie oder insgesamt 2,2 Milliarden Euro für die Software AG. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge scharren aber auch weitere Interessenten mit den Hufen.
CHINA-SCHWÄCHE ZIEHT ÖLPREISE HERUNTER
Anleger warfen hingegen die Papiere von BP aus den Depots. Aktien des britischen Energiekonzerns fielen um 5,7 Prozent. Anleger stieß sauer auf, dass der Konzern seine Aktienrückkäufe drosseln will.
An den Rohölmärkten ging es mit den Preisen nach schwächeren Konjunkturdaten aus China abwärts. Die Nordsee-Rohölsorte Brent und die leichte US-Sorte WTI verbilligten sich um jeweils rund 0,5 Prozent auf 78,95 beziehungsweise 75,29 Dollar pro Barrel (159 Liter). Der Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes in China, dem weltweit größten Rohölimporteur, war im April erstmals seit Dezember gesunken. “Die meisten Teilindikatoren zeigen, dass dies möglicherweise keine kurzfristige Abweichung ist”, sagte Iris Pang, Chefvolkswirtin bei ING, und wies auf einen schwächelnden Exportmarkt, niedrigere Importe im März und sinkende Löhne hin.
(Bericht von Anika Ross, Zuzanna Szymanska, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)