Insider: USA stellen Ukraine Ultimatum bis Donnerstag

(Weitgehend neu)

– von Tom Balmforth und Max Hunder und Gram Slattery

Kiew/Washington (Reuters) – Die USA drohen Insidern zufolge damit, die Weitergabe von Geheimdienstinformationen und die Lieferung von Waffen an die Ukraine einzustellen, um das Land zur Zustimmung zu einem von Washington vorgelegten Friedensabkommen zu drängen.

Dies sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Die USA wollen demnach, dass die Ukraine bis zu Thanksgiving am kommenden Donnerstag ein Rahmenabkommen unterzeichnet. Den Insidern zufolge steht die Regierung in Kiew unter größerem Druck aus Washington als bei allen früheren Friedensgesprächen. “Sie wollen den Krieg beenden und wollen, dass die Ukraine den Preis dafür zahlt”, sagte eine der Personen.

In Kiew und bei wichtigen europäischen Partnern erhielt der US-Vorstoß zurückhaltende Reaktionen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte den Erhalt des Plans, äußerte sich jedoch nicht direkt zu dessen Inhalt. Das russische Präsidialamt erklärte sich grundsätzlich zu Verhandlungen bereit, hat nach eigenen Angaben vom Freitag aber noch keine offiziellen Informationen. In Berlin sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius, die Bundesregierung strebe einen gerechten und dauerhaften Frieden an. Der US-Plan enthalte Elemente, die in dieser Hinsicht zielgerichtet seien.

“Unsere Teams – die Ukraine und die USA – werden an den Punkten des Plans zur Beendigung des Krieges arbeiten”, schrieb Selenskyj auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. “Wir sind zu einer konstruktiven, ehrlichen und schnellen Arbeit bereit.” Der ranghöchste Sicherheitsberater Selenskyjs, Rustem Umerow, erklärte, die unveränderlichen Prinzipien für die Regierung in Kiew seien “Souveränität, die Sicherheit der Menschen und ein gerechter Frieden”. Der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates fügte hinzu: “Wir prüfen sorgfältig alle Vorschläge unserer Partner und erwarten die gleiche angemessene Haltung gegenüber der Position der Ukraine.”

“VERANTWORTUNGSVOLLE ENTSCHEIDUNG”

Bundeskanzler Friedrich Merz, der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer telefonierten am Freitag mit Selenskyj und berieten das weitere Vorgehen. Wie Regierungssprecher Stefan Kornelius in Berlin mitteilte, verabredeten sie, weiterhin das Ziel zu verfolgen, vitale europäische und ukrainische Interessen langfristig zu wahren. Dazu gehöre unter anderem, dass die Kontaktlinie, also die gegenwärtige Front, “Ausgangspunkt einer Verständigung ist, und dass die ukrainischen Streitkräfte imstande bleiben müssen, die Souveränität der Ukraine wirkungsvoll zu verteidigen”. Sie seien sich zudem einig, “dass jede Vereinbarung, die die europäischen Staaten, die Europäische Union oder die Nato betrifft, einer Zustimmung der europäischen Partner beziehungsweise eines Konsenses der Alliierten bedarf”.

Der Kreml zeigte sich grundsätzlich offen für Verhandlungen über den US-Friedensplan, hatte nach eigenen Angaben aber zunächst noch nichts Offizielles dazu erhalten. Die beiden Länder diskutierten die Vorschläge noch nicht im Detail, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die russischen Fortschritte auf dem Schlachtfeld schränkten den Entscheidungsspielraum des ukrainischen Präsidenten Selenskyj ein. Die Regierung in Kiew solle jetzt eine “verantwortungsvolle Entscheidung” treffen, fügte Peskow hinzu. Man sei aber auch noch nicht darüber informiert worden, dass die Ukraine bereit sei, über den Plan zu verhandeln.

SICHERHEITSGARANTIEN NUR VAGE ERWÄHNT

Dem von der Nachrichtenagentur Reuters eingesehenen 28-Punkte-Plan zufolge würden die USA viele der Hauptforderungen Russlands unterstützen. Die Ukraine müsste zusätzliches Territorium aufgeben, die Größe ihres Militärs auf 600.000 Soldaten begrenzen und die Hoffnung auf einen Beitritt zur Nato für immer aufgeben. Zudem sieht der Plan vor, dass die Ukraine sich aus Gebieten zurückzieht, die sie in den von Russland beanspruchten Ostprovinzen noch kontrolliert. Die Krim sowie die Regionen Luhansk und Donezk würden von den USA de facto als russisch anerkannt. Im Gegenzug würde Russland kleinere eroberte Gebiete in anderen Regionen aufgeben. Ukrainische Vertreter hatten ähnliche Bedingungen in der Vergangenheit als Kapitulation bezeichnet. Die Hauptforderungen der Ukraine – durchsetzbare Sicherheitsgarantien – werden in dem Plan nur vage in einer einzigen Zeile erwähnt.

Bundesaußenminister Johann Wadephul äußerte sich in Brüssel zurückhaltend zu dem US-Vorstoß. “Ich bewerte den nach wie vor so, dass es eine Auflistung der Themen ist, die dringend besprochen werden müssen zwischen der Ukraine und Russland”, sagte Wadephul. Es sei aber kein abschließender Plan. Für Deutschland wie für Europa gelte: “Wir stärken der Ukraine den Rücken”, betonte der Minister. “Wir wollen dafür sorgen, dass die Ukraine aus einer starken Verhandlungsposition über diese Punkte sprechen kann.” Die Regierung in Kiew müsse letztlich entscheiden, welche Kompromisse sie eingehen wolle.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, sagte, der Plan sei ausgearbeitet worden, um die Realitäten der Lage widerzuspiegeln “und das beste Win-Win-Szenario zu finden, bei dem beide Parteien mehr gewinnen als sie geben müssen”. Außenminister Marco Rubio und der US-Sondergesandte Steve Witkoff hätten etwa einen Monat lang im Stillen an dem Plan gearbeitet. Präsident Donald Trump unterstütze den Plan.

(Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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