IG Metall wirft MAN “Fördergeldhopping” vor – Tausende Jobs fallen weg

Berlin (Reuters) – Der geplante Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen beim Münchner Nutzfahrzeughersteller MAN stößt bei der Gewerkschaft IG Metall auf harte Kritik.

Bezirksleiter Horst Ott sagte am Donnerstag, es sei eine “Fehlentscheidung in fast jeder Hinsicht”, die Fertigung des “Traton Modular Systems” (TMS) nach Polen zu geben. Er warf dem Unternehmen vor, “Schindluder” mit der Belegschaft zu treiben. Zugleich ging er mit dem Management hart ins Gericht. “Wenn Entscheidungen auf der Basis getroffen werden, wo gibt es mehr Fördergelder, wenn ein CEO Fördergeldhopping macht, dann wird er der Rolle eines CEO nicht gerecht”, sagte er. “Hinnehmen werden wir derartige Entscheidungen nicht.”

Die IG Metall befürchtet den Verlust von etwa 3000 Arbeitsplätzen in den kommenden zehn Jahren. Ein MAN-Sprecher sprach von rund 2300 Jobs, die in München, Nürnberg und Salzgitter wegfallen sollen.

Beim “Traton Modular System” handelt es sich um eine einheitliche Plattform für Produkte im gesamten System, auf der die MAN-Lastwagen der Zukunft gebaut werden sollen. Die Karosseriefertigung solle entgegen bisheriger Zusagen an das Werk im polnischen Krakau gehen, erklärte die IG Metall. Einen entsprechenden Beschluss solle der Aufsichtsrat im Rahmen der Investitionsplanung für die nächsten Jahre fassen.

MAN-Finanzchefin Inka Koljonen sagte in einem im Intranet veröffentlichten Interview, das Unternehmen wolle die Investitionen für das TMS eher in Osteuropa vornehmen. “Alles andere wäre betriebswirtschaftlich falsch und würde uns in einigen Jahren voll auf die Füße fallen.” Sie verwies auf die anhaltend schwache Konjunktur, die Investitionsbereitschaft bei vielen Kunden sei gering. Mittelfristig drohten zusätzliche Belastungen durch die EU-Gesetzgebung bei den CO2-Zielen. “Darauf müssen wir uns bereits heute einstellen.”

Zudem wachse der Druck durch neue chinesische Wettbewerber erheblich, sagte Koljonen. “Darauf müssen wir reagieren und nicht warten, bis es dann fast schon zu spät ist”, betonte die Managerin. Zudem brächten auch etablierte Wettbewerber neue Kostenprogramme auf den Weg. Zuletzt hatte der Rivale Daimler Truck angekündigt, 5000 Arbeitsplätze in Deutschland zu streichen.

Als Gegenzug für die Ansiedlung der Montage des TMS in Polen solle in den kommenden fünf Jahren eine Milliarde Euro an den deutschen Standorten investiert werden, wie ein Sprecher der Traton-Tochter sagte. In München solle zudem das TMS im Zweischichtbetrieb montiert werden, sagte Personalchef Hubert Altschäffl in dem Beitrag für das Intranet.

Die IG Metall befürchtet allerdings, dass das den Standort nur vorübergehend sichert. “Wenn alle Teile des Lkw in anderen Ländern gebaut werden, vor allem in Polen, kann man sich ausrechnen, wie lange es gut geht, dass diese Teile zur Montage nach München gefahren werden”, sagte Sibylle Wankel, 1. Bevollmächtigte der IG Metall München. “Perspektivisch bedeutet diese Entscheidung, dass der MAN-Truck der Zukunft in Polen gebaut wird und nicht in München.”

Wankel sagte, die Belegschaft habe dem Unternehmen Zugeständnisse angeboten, um die Produktion des TMS doch in Deutschland zu belassen, wie längere Wochenarbeitszeiten oder den Verzicht auf Tariferhöhungen. “Wir sehen keine Bereitschaft im Unternehmen, auf die Angebote der Mitarbeiter einzugehen”, sagte Gesamtbetriebsratsvorsitzende Karina Schnur. MAN greife in Deutschland Fördergelder für Forschung und Entwicklung ab und kassiere dann EU-Subventionen für Verlagerungen nach Polen, sagte Ott. “Wenn man Belegschaften in Europa gegeneinander ausspielt wegen Fördergeldern, ist das fahrlässig”, sagte er. “Deswegen ist die Stinkwut so groß.”

MAN galt lange als Sorgenkind der Volkswagen-Nutzfahrzeugtochter Traton und hat bereits mehrere Sparrunden hinter sich. Zuletzt wurden 2021 Tausende Stellen gestrichen und mehrere Werke verkauft oder geschlossen. Inzwischen verdient das Unternehmen aber wieder Geld. In den ersten neun Monaten lag die Rendite bei 5,6 Prozent und damit unter dem strategischen Ziel von acht Prozent.

(Bericht von Christina Amann. Redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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