– von Ursula Knapp
Karlsruhe (Reuters) – Die Aktionäre des zusammengebrochenen Zahlungsdienstleisters Wirecard erhalten kein Geld aus der Insolvenzmasse.
Der Bundesgerichtshof (BGH) wies am Donnerstag eine Klage des Fondsanbieters Union Investment gegen Insolvenzverwalter Michael Jaffe endgültig ab. Mit dem Urteil in diesem Pilotverfahren bleibt es bei der üblichen Geldverteilung aus der Verwertung der Überreste insolventer Unternehmen: Aktionäre müssen sich – wie in der Insolvenzordnung vorgesehen – hinter den Gläubigern wie Banken, Auftragnehmern und Mitarbeitern einreihen, auch wenn sie sich vom Unternehmen getäuscht fühlen. In aller Regel bleibt damit für sie nichts übrig.
Jaffe machte klar, dass das auch bei Wirecard so sein wird. “Ein Übererlös für Aktionäre ist im vorliegenden Insolvenzverfahren nicht zu erwarten”, erklärte sein Sprecher. Die Insolvenzmasse stehe allein den Gläubigern zu. Doch auch für sie bleibt nicht viel: Ihren Forderungen über 6,9 Milliarden Euro steht bisher nur eine Insolvenzmasse von 650 Millionen Euro gegenüber. Hätten auch die Aktionäre Ansprüche geltend machen können, wären es 15,4 Milliarden Euro Forderungen gewesen.
Der für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des BGH hob ein Urteil des Oberlandesgerichts München auf. Dieses hatte den Aktionären noch Hoffnungen und dem Insolvenzverwalter sowie den Gläubigern Sorgen gemacht. Doch der BGH ließ bereits in der Verhandlung im Oktober seine Marschrichtung erkennen. Im Urteil machte er klar, dass ein Aktionär als Miteigentümer “die mit seiner Stellung verbundenen Risiken zu tragen” habe, unabhängig davon, ob er von der Unternehmensführung hinters Licht geführt worden sei.
AKTIONÄRE MÜSSEN RISIKO TRAGEN
Als Klägerin hatte die von Genossenschaftsbanken getragene Union Investment argumentiert, die Wirecard-Aktionäre seien vom Vorstand bewusst betrogen worden und hätten deshalb Schadenersatzansprüche, die gleichrangig mit den Forderungen der Gläubiger seien. Der Vorsitzende Richter Heinrich Schoppmeyer verwies am Donnerstag auf den klaren Vorrang der Gläubiger vor den Anteilseignern im Insolvenzrecht. “Diese Verteilungsordnung schützt Fremdkapitalgeber vor Eigenkapitalgebern. Damit unterscheiden sich die Ansprüche grundlegend.” Eine Täuschung genüge nicht, um die Aktionäre gleichrangig mit den Gläubigern zu behandeln.
Wirecard war an der Börse jahrelang auf einer Erfolgswelle geschwommen. Doch im Juni 2020 brach die Firma aus Aschheim bei München als erster Dax-Konzern zusammen, nachdem sich 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf Treuhandkonten in Asien lagen, als nicht existent entpuppt hatten. Tausende Geschädigte verloren durch die Pleite Geld: Neben den Gläubigern, die dem Unternehmen Kapital geliehen oder Dienstleistungen erbracht hatten, auch 50.000 Aktionäre, die Schadenersatz anmeldeten.
Damit ist für die Wirecard-Aktionäre eine weitere Hoffnung zerstoben, für ihre Verluste entschädigt zu werden. Am Freitag kämpfen Aktionäre vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht weiter um die Chance, über ein Kapitalanleger-Musterverfahren einen Teil des verlorenen Geldes zurückzubekommen. Beteiligte rechnen mit einem langen Verfahren. Auch hier haben sich Kläger bereits darauf eingestellt, dass bei den Unternehmensresten und bei früheren Managern wenig zu holen ist. Die Wirtschaftsprüfer von EY, auf deren Zahlungskraft die Anleger gesetzt hatten, hat das Gericht bereits aus der Schusslinie genommen.
Am Landgericht München dauert unterdessen der Strafprozess gegen den langjährigen Wirecard-Chef Markus Braun und weitere Topmanager an. Ein Urteil wird im Laufe der kommenden Monate erwartet.
(Bericht von Ursula Knapp, bearbeitet von Jörn Poltz und Alexander Hübner, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)










