Berlin (Reuters) – Bundeskanzler Friedrich Merz will nach eigenen Angaben alles unternehmen, um die Chemie- und Stahlindustrie in Deutschland zu halten.
“Wenn wir Industriestandorte in Deutschland behalten wollen, dann brauchen wir zwei Industrien wie kaum eine andere als Grundstoffindustrie”, sagte der CDU-Vorsitzende am Montag in Hannover bei der Industriegewerkschaft IGBCE. Dies seien die chemische Industrie und “wenigstens in gewissem Umfang” die Stahlindustrie. “Diese beiden Industrien brauchen wir in Deutschland, und ich werde alles tun, um sie am Standort zu halten.” Merz warnte, dass Deutschland derzeit nicht die nötige Wettbewerbsfähigkeit habe, die Regierung aber die Rahmenbedingungen verbessern wolle.
Man brauche etwa neue Gaskraftwerke, um eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten, weil der Bedarf noch nicht mit Erneuerbaren Energien gedeckt werden könne. Man habe dazu Genehmigungsverfahren in Brüssel angestoßen. “Ich hoffe, dass wir uns in der Koalition auch über entsprechende Kapazitäten einigen”, fügte er hinzu. Man sei sich noch nicht einig, ob man zehn Gigawatt, 20 Gigawatt oder mehr an zusätzlichen Gaskraftwerken brauche. Aber eine verlässliche Energieversorgung ist gerade für die chemische Industrie von Bedeutung.
Deshalb werde sich die Bundesregierung auch für Änderungen bei der EU-weiten Zuteilung von CO2-Zertifikaten einsetzen, sagte Merz. Der CO2-Ausgleichmechanismus (CBAM), der europäische Firmen vor unfairem Wettbewerb aus Ländern mit niedrigeren Umweltvorgaben schützen soll, tritt zum 1. Januar 2026 in Kraft. Der Mechanismus müsse aber verbessert werden, forderte der Kanzler. “Wir werden auch über den vorgesehenen Zeitraum hinaus (CO2-)Zertifikate zuteilen müssen, damit die Industrie die Chance hat, sich an diesen Prozess zu gewöhnen”, mahnte er. “Und bevor nicht dieser Mechanismus funktioniert, macht es keinen Sinn, unsere Industrie in Europa mit noch höheren Kosten zu belasten.”
Merz verwies auf die schwierige Lage mit “diesem Protektionismus von außen und dem Reformstau von innen”. Gleichzeitig holten Konkurrenten aus den USA oder Asien auf. “Es steht jetzt sehr viel auf dem Spiel. Es geht schlicht um die Frage, ob wir in Deutschland eine Zukunft haben, noch mit Wertschöpfungsketten in der Industrie.” Dies sei eine strategische Frage für die Souveränität Deutschlands und Europas. Deshalb müsse die Politik auf vielen Feldern neu ausgerichtet werden. Daran arbeite man.
(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)