– von Matt Spetalnick und Nidal al-Mughrabi und Alexander Cornwell
Washington/Kairo (Reuters) – Israel und die radikal-islamische Hamas haben nach Angaben von US-Präsident Donald Trump der ersten Phase eines von den USA vorgeschlagenen Friedensplans für den Gazastreifen zugestimmt.
“Dies bedeutet, dass sehr bald alle Geiseln freigelassen werden und Israel seine Truppen auf eine vereinbarte Linie zurückziehen wird, als erste Schritte zu einem starken, dauerhaften und ewigen Frieden”, teilte Trump auf seiner Online-Plattform in der Nacht zum Donnerstag mit. “Dies ist ein großartiger Tag für die Welt”, sagte der US-Präsident der Nachrichtenagentur Reuters in einem kurzen Telefoninterview. Die ganze Welt sei in dieser Sache zusammengekommen. “Das ist ein wundervoller Tag, ein wundervoller Tag für alle.”
In einem Interview mit dem US-Fernsehsender Fox News sagte Trump, er rechne mit einer Freilassung der Geiseln aus dem Gazastreifen am Montag. Die Vereinbarung umfasse auch die Übergabe der Leichen von Getöteten. Trump zeigte sich in dem Interview zuversichtlich, dass der Gazastreifen wiederaufgebaut werde und auch der Iran Teil des Friedensprozesses sein werde.
Die Nachrichten über die Einigung lösten im Gazastreifen und in Israel spontane Jubelfeiern aus. Allerdings sind noch viele Fragen offen. Diese betreffen etwa den Zeitplan, eine Verwaltung für den Gazastreifen nach dem Krieg und das Schicksal der Hamas. Es ist zudem unklar, wer den Gazastreifen nach Kriegsende regieren wird.
Trump hatte kurz vor der Verkündung der Einigung erklärt, ein Waffenruhe-Abkommen stehe bevor. Er werde möglicherweise an diesem Wochenende nach Ägypten reisen. Alle Parteien würden fair behandelt, schrieb er auf der Online-Plattform “Truth Social”. Er dankte den Vermittlern aus Katar, Ägypten und der Türkei, die mit den USA zusammengearbeitet hätten, um dieses “historische und beispiellose Ereignis” zu ermöglichen.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte kurz nach Trumps Mitteilung an, er werde im Laufe des Donnerstags seine Regierung einberufen, um die Vereinbarung zu billigen. “Dies ist ein großer Tag für Israel”, erklärte Netanjahu. Die israelische Regierung teilte mit, die Freilassung der Geiseln werde voraussichtlich am Samstag beginnen. Netanjahu telefonierte nach Angaben seines Büros mit Trump. Beide gratulierten sich demnach zu einer “historischen Errungenschaft”. Netanjahu habe Trump eingeladen, eine Rede vor dem israelischen Parlament, der Knesset, zu halten.
Die radikal-islamische Hamas teilte mit, sie habe einer Vereinbarung zur Beendigung des Kriegs im Gazastreifen zugestimmt. Die Einigung umfasse einen israelischen Rückzug aus dem Küstenengebiet sowie einen Austausch von Geiseln gegen Gefangene. Die Hamas forderte Trump und die Garantiemächte auf, sicherzustellen, dass Israel eine Waffenruhe vollständig umsetze, hieß es in der Erklärung weiter. Laut einem Vertreter der Hamas sollen die Geiseln, die noch am Leben sind, innerhalb von 72 Stunden nach der Billigung der Einigung durch die israelische Regierung übergeben werden.
JUBEL IN ISRAEL UND IM GAZASTREIFEN
Sowohl in Israel als auch im Gazastreifen feierten Menschen erleichtert auf den Straßen. In Tel Aviv versammelten sich die Familien der festgehaltenen Geiseln auf dem sogenannten “Platz der Geiseln”. “Präsident Trump, vielen Dank. Wir danken ihm, ohne ihn würden unsere Kinder nicht nach Hause zurückkehren”, sagte Hatan Angrest, dessen Sohn Matan eine der Geiseln ist. “Gott sei Dank für die Waffenruhe, das Ende des Blutvergießens und des Tötens”, sagte Abdul Madschid abd Rabbo in der Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens.
Das israelische Militär warnte die Bewohner des Küstengebiets jedoch, dass einige Gegenden dort weiterhin gefährliche Kampfzonen seien. Die Streitkräfte hielten die Stadt Gaza weiterhin umschlossen, und eine Rückkehr dorthin bleibe “extrem gefährlich”, teilte das Militär mit.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief alle Seiten dazu auf, das Geisel-Abkommen vollständig einzuhalten. “Der sofortige und ungehinderte Zugang für humanitäre Hilfsgüter und wichtige Handelsgüter nach Gaza muss sichergestellt werden. Das Leiden muss ein Ende haben.”
Der US-Plan sieht vor, dass es in einer ersten Phase zu einer Waffenruhe, einem Austausch der verbliebenen israelischen Geiseln mit palästinensischen Gefangenen sowie der Versorgung der Menschen im Gazastreifen kommen soll. In einem zweiten Schritt sollen dann die weitaus kritischeren Fragen geklärt werden, etwa die Entwaffnung der Hamas, die Gewährleistung der Sicherheit im Gazastreifen sowie der Wiederaufbau des palästinensischen Gebiets. Dazu ist für Donnerstag eine Konferenz in Paris geplant, zu der nach Angaben aus diplomatischen Kreisen US-Außenminister Marco Rubio erwartet wird. Auch Bundesaußenminister Johann Wadephul soll teilnehmen.
INTERNATIONALES GREMIUM BEI NACHKRIEGSVERWALTUNG GAZAS
Die nächste Phase des US-Plans sieht vor, dass ein internationales Gremium unter Führung von Trump und dem ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair eine Rolle in der Nachkriegsverwaltung des Gazastreifens spielen soll. Arabische Länder, die den Plan unterstützen, fordern, dass er zu einem unabhängigen palästinensischen Staat führen müsse. Netanjahu lehnt dies jedoch ab. Er sowie Trump und westliche und arabische Staaten haben eine Rolle für die Hamas im Gazastreifen ausgeschlossen. Die Hamas hat erklärt, sie werde die Regierung im Gazastreifen nur an eine palästinensische Technokraten-Regierung abgeben, die von der Palästinensischen Autonomiebehörde beaufsichtigt und von arabischen und muslimischen Ländern unterstützt werde. Zudem hat sich die Hamas bisher geweigert, die israelische Forderung nach einer Niederlegung der Waffen zu erörtern. Eine Rolle für Blair oder eine ausländische Regierung im Gazastreifen lehnt die Hamas ab.
Der Krieg hatte mit dem Angriff der Hamas am Morgen des 7. Oktober 2023 begonnen, bei dem nach israelischen Angaben 1200 Menschen getötet und 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Von den verbliebenen 48 Geiseln dort sollen noch 20 am Leben sein. Bei der anschließenden israelischen Militäroffensive sind nach Angaben der Gesundheitsbehörden bislang mehr als 67.000 Palästinenser getötet worden.
(Mitarbeit: Ismail Shakil, Jasper Ward, Enas Alashray, Hatem Maher, Dawoud Abu Elkas, Tuvan Gumrukcu, Daren Butler, Jana Choukeir, Tala Ramadan, Maayan Lubell, John Irish, Angelo Amante, Trevor Hunnicutt, Steve Holland und David Morgan, geschrieben von Esther Blank, redigiert von Christian Rüttger.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)