– von Nidal al-Mughrabi und Maayan Lubell
Scharm El-Scheich (Reuters) – Hoffen und Bangen am zweiten Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel: Im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich setzten Delegationen der radikal-islamischen Organisation und Israels am Dienstag ihre indirekten Verhandlungen über ein Ende des Kriegs im Gazastreifen fort, der am 07. Oktober 2023 seinen Ursprung fand.
Grundlage der Verhandlungen ist ein 20-Punkte-Plan von US-Präsident Donald Trump. Israel setzte seine Offensive in dem palästinensischen Küstengebiet unterdessen Bewohnern zufolge mit Panzern, Flugzeugen und Schiffen fort.
Der Hamas-Vertreter Fausi Barhum sagte, seine Organisation wolle bei den Gesprächen eine Einigung erzielen. Die Delegation versuche, alle Hindernisse zu überwinden. Das Außenministerium Katars erklärte, es müssten noch viele Details geklärt werden. Bundesaußenminister Johann Wadephul mahnte zur Eile. “Es geht jetzt darum, das Tempo nicht zu verlieren und schnell zu Ergebnissen zu kommen, damit das Vertrauen in den Prozess nicht verlorengeht”, sagte Wadephul nach einem Treffen mit dem ägyptischen Außenminister Badr Abdelatty in Kairo.
Besonders heikel in den Verhandlungen sind nach Einschätzung von Beobachtern die Fragen nach einem Rückzug Israels aus dem Gazastreifen und der Entwaffnung der Hamas. In einer ersten Phase soll es aber zunächst zu einer sofortigen Waffenruhe, der Freilassung der verbliebenen israelischen Geiseln im Gazastreifen und der Versorgung der Menschen mit humanitärer Hilfe kommen. Trump und Wadephul äußerten sich zuversichtlich, dass eine Einigung auf diese erste Phase noch im Lauf der Woche erfolgen könnte.
“WIDERSTAND MIT ALLEN MITTELN”
Die erste Runde der Verhandlungen war am späten Montagabend einem palästinensischen Vertreter zufolge beendet worden. Die Hamas habe ihre Haltung zur Freilassung der Geiseln sowie zu Umfang und Zeitplan eines israelischen Rückzugs aus dem Gazastreifen dargelegt. Zudem habe die radikal-islamische Gruppe Bedenken geäußert, ob sich Israel zu einem dauerhaften Waffenstillstand und einem vollständigen Abzug verpflichten werde. Während die Gespräche für den Tag beendet wurden, waren in Gaza-Stadt laut Reuters-Zeugen noch Explosionen von Luftangriffen zu hören.
Bewohner in Chan Junis im Süden und in Gaza-Stadt im Norden des Gazastreifens berichteten am frühen Dienstag von schwerem Beschuss durch israelische Panzer und Flugzeuge. Militante Palästinenser feuerten zudem Raketen über die Grenze nach Israel ab. Anlässlich des Jahrestages kündigte ein Bündnis palästinensischer Gruppen, darunter die Hamas und der Islamische Dschihad, an, der “Widerstand mit allen Mitteln” sei der “einzige Weg, dem zionistischen Feind entgegenzutreten”. Niemand habe das Recht, dem palästinensischen Volk die Waffen abzunehmen, hieß es in der Erklärung weiter.
In Israel versammelten sich Menschen an den Orten der damaligen Angriffe und am sogenannten Platz der Geiseln in Tel Aviv. “Ich kann nicht glauben, dass es schon zwei Jahre her ist und sie immer noch nicht zu Hause sind”, sagte die 43-jährige Hilda Weisthal.
Bundeskanzler Friedrich Merz bezeichnete den 07. Oktober als “schwarzen Tag” für das jüdische Volk. Er bekräftigte die Forderung nach der sofortigen Freilassung aller Geiseln, unter denen sich auch deutsche Staatsangehörige befänden. “Wir setzen große Hoffnung in den Friedensprozess”, erklärte Merz in Berlin.
AUCH US-GESANDTE IN SCHARM EL-SCHEIK
Der Krieg hatte mit dem Angriff der Hamas am Morgen des 7. Oktober 2023 begonnen, bei dem nach israelischen Angaben 1200 Menschen getötet und 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Von den verbliebenen 48 Geiseln dort sollen noch 20 am Leben sein. Bei der anschließenden israelischen Militäroffensive sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden bislang mehr als 67.000 Palästinenser getötet worden. Israel tötete zudem Hamas-Anführer im Ausland sowie Anführer anderer vom Iran unterstützter Gruppen wie der Hisbollah im Libanon und schwächte die Huthi-Miliz im Jemen. In einem zwölftägigen Krieg, an dem sich auch die USA beteiligten, griff Israel zudem im Juni iranische Atomanlagen an.
Sowohl Israel als auch die Hamas haben die allgemeinen Grundsätze des Trump-Plans gebilligt. Offen ist jedoch auch, wer den Gazastreifen nach einem Kriegsende regieren und wiederaufbauen soll. Trump und der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu haben eine Rolle der Hamas dabei ausgeschlossen.
An den Gesprächen in Scharm El-Scheich nehmen hochrangige Vertreter beider Seiten teil. Die israelische Delegation besteht aus Gesandten der Geheimdienste Mossad und Schin Bet sowie dem außenpolitischen Berater von Netanjahu, Ophir Falk. Der Chefunterhändler, der Minister für strategische Angelegenheiten Ron Dermer, wird nach israelischen Angaben aber erst im Lauf der Woche erwartet. Die Hamas-Delegation wird von Chalil al-Haja angeführt, dem im Exil lebenden Anführer der Gruppe im Gazastreifen. Die USA haben den Sondergesandten Steve Witkoff und Jared Kushner entsandt, den Schwiegersohn des Präsidenten.
(Mit Reuters TV in Scharm El-Scheik; Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)