Kopenhagen/Berlin (Reuters) – Der Beginn des informellen EU-Gipfels in Kopenhagen ist von der Debatte um die Nutzung der eingefrorenen russischen Vermögen für die Ukraine dominiert worden.
Während sich etwa die Ministerpräsidenten Schwedens und der Niederlande hinter die Überlegung von Kanzler Friedrich Merz und der EU-Kommission stellten, äußerte sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zurückhaltend. Die russische Regierung drohte unterdessen mit Gegenmaßnahmen, sollte es zur Nutzung des Geldes für die Ukraine kommen.
Seit Jahren wird diskutiert, ob man die rund 200 Milliarden Euro russischen Staatsvermögens, die in Belgien bei dem Unternehmen Euroclear lagern, für die Ukraine nutzen sollte. Merz hatte vergangene Woche vorgeschlagen, der Ukraine 140 Milliarden Euro an zinslosen Darlehen zur Verfügung zu stellen. Um eine Enteignung zu vermeiden, sollen mit dem Geld EU-Anleihen gekauft werden, die von der Ukraine bei der Zahlung russischer Reparationen nach einem Kriegsende beglichen werden sollen. Die EU-Regierungen sollen diese Anleihen durch Garantien absichern.
Macron äußerte sich vorsichtig. “Wenn Vermögen eingefroren ist, muss man internationales Recht achten. Darauf hat auch der belgische Ministerpräsident hingewiesen”, sagte er vor Beginn des Gipfels in Kopenhagen. Dagegen sagte der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson: “Ich bin sehr dafür. Es ist einfach nicht akzeptabel, all diese eingefrorenen Vermögenswerte als russisches Eigentum zu betrachten, ohne die Möglichkeit, sie zugunsten der Ukraine einzusetzen.” Zustimmung kam etwa auch von den Regierungschefs der Niederlande, Finnlands und Estlands. Entscheidungen sollen aber erst auf dem regulären EU-Gipfel Ende des Monats fallen.
Dagegen warnte die russische Führung, dass sie jede beteiligte Person und jedes Land zur Rechenschaft ziehen wolle, die den Plan unterstützen. “Wir sprechen hier über Pläne zur illegalen Beschlagnahmung von russischem Eigentum. Auf Russisch nennen wir das einfach Diebstahl”, sagte der Sprecher des russischen Präsidialamts, Dmitri Peskow, in Moskau. Ein solcher Schritt werde zudem auf die europäischen Finanzanlagen und Investitionen zurückschlagen.
Merz und die EU-Kommission hatten allerdings betont, dass es sich nicht um eine Enteignung handele. Ähnliche Drohungen aus Moskau hatte es auch bereits gegeben, als die G7-Staaten beschlossen, die Erträge aus dem eingefrorenen russischen Vermögen für die Absicherung eines Kredits an die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro zu verwenden. Russland hatte die Ukraine im Februar 2022 überfallen und hält rund 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets besetzt.
Weitere Themen auf dem militärisch besonders gesicherten informellen EU-Gipfel sind Projekte für die europäische Verteidigungsindustrie und die Frage, ob man einen gemeinsamen Drohnenwall aufbauen sollte. Hintergrund der Diskussion und der militärischen Hilfe Deutschlands, Frankreichs und Polens für Gastgeber Dänemark sind die zahlreichen Drohnenüberflüge über dänische Flughäfen, aber auch kritische Infrastruktur in Norddeutschland in den vergangenen Tagen. Dahinter wird Russland vermutet.
Merz mahnte vor den vierstündigen Verhandlungen aber auch den Abbau der Bürokratie in der EU an. “Es kann mit dieser Regulierungsdichte aus Europa, aus der Europäischen Union so nicht weitergehen. Es ist einfach zu viel”, sagte Merz vor dem Abflug nach Kopenhagen und nach Ende der Kabinettsklausur der Bundesregierung in Berlin. Die EU-Kommission müsse hier ihrer Verpflichtung gerecht werden. “Auch da muss grundlegend korrigiert werden.” Das Bundeskabinett hatte zuvor eine Modernisierungsagenda beschlossen, die einen Abbau der bürokratischen Lasten in Deutschland um 25 Prozent vorsieht.
(Bericht von Andreas Rinke, Essi Lehto, Bart Meijer, Andrew Gray, Dmitry Antonov und Benoit Van Overstraeten; redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)