Ostbeauftragte: Junge Menschen in Ostdeutschland weiter benachteiligt

Berlin (Reuters) – Junge Menschen in Ostdeutschland haben der Ostbeauftragten zufolge 35 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer schlechtere Startchancen.

Ostdeutsche hätten weniger Vermögen und weniger Möglichkeiten, durch Netzwerke wie sogenanntes “Vitamin B” im Job aufzusteigen, erklärte Staatsministerin Elisabeth Kaiser (SPD) am Mittwoch zur Vorstellung des jährlichen Lageberichts zum Jahrestag der Deutschen Einheit. Während für viele Westdeutsche die deutsche Teilung gut drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung 1990 kaum mehr eine Rolle spiele, identifizierten sich noch immer viele junge Menschen als “Ossis”.

Kaiser stellte im Bericht verschiedene Studien vor, die sich mit den Unterschieden zwischen Ost und West beschäftigen. Dem “Elitenmonitor” zufolge ist so etwa der Anteil der Ostdeutschen in Führungspositionen zwischen 2018 und 2024 von 10,9 auf 12,1 Prozent gestiegen. Allerdings sind Ostdeutsche damit insgesamt unterrepräsentiert. In Bereichen wie der Wissenschaft stieg der Anteil der Ostdeutschen in Top-Positionen um rund sieben Prozentpunkte auf knapp neun Prozent. Bei der Führung von Unternehmen fiel er hingegen von 2,9 auf 0 Prozent. Im Militär blieb er bei 0 Prozent.

DIW: KLUFT ZWISCHEN ARM UND REICH SOWIE STADT UND LAND

Als Ursache dafür gilt laut Bericht etwa, dass der Osten noch immer überwiegend ländlich geprägt ist – dort also weniger Institutionen sind, in denen Ostdeutsche Führung übernehmen können. Außerdem seien weniger Ostdeutsche aus dem Milieu, aus dem solches Führungspersonal üblicherweise komme. Nur zehn bis 15 Prozent der Ostdeutschen stammt demnach aus der oberen Mittelschicht oder der Oberschicht, verglichen mit 25 bis 30 Prozent der Westdeutschen.

Dennoch sind einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge nicht alle Unterschiede zwischen Ost und West auf die deutsche Teilung zurückzuführen. Die ostdeutschen Bundesländer hätten demnach längst zu den ärmeren westdeutschen Bundesländern aufgeholt. Eine Kluft herrsche vielmehr zwischen Arm und Reich und zwischen Stadt und Land. Die Produktivität in Bereichen wie Bildung, Gesundheit oder öffentlicher Verwaltung ist den Berliner Ökonomen im Osten sogar im Schnitt höher als im Westen. Der Osten schneide insgesamt aber schlechter ab, weil er ländlich geprägt sei.

Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, haben ostdeutsche Bundesländer ihre Wirtschaftskraft seit der Wiedervereinigung verbessern können. Thüringen verzeichnet so etwa einen Anstieg der Wirtschaftsleistung um 163 Prozent. Dennoch verdienen Westdeutsche im Schnitt noch immer etwa ein Fünftel mehr als Ostdeutsche – 4810 Euro im Vergleich zu 3973 Euro. Beim sogenannten Gender-Pay-Gap hingegen bleiben die ostdeutschen Bundesländer noch weit vorn. Der Unterschied bei Löhnen zwischen Männern und Frauen betrug demnach im Osten nur fünf Prozent, im Westen und Berlin hingegen 17 Prozent.

(Bericht von Natascha Koch, redigiert von Klaus Lauer. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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