– von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) – Selten haben Sicherheitsvorkehrungen vor EU-Gipfeln so eine Rolle gespielt wie jetzt in Kopenhagen.
Aber weil Drohnen über dänischen Flughäfen gesichtet wurden, haben Deutschland, Frankreich und Schweden der dänischen Regierung Hilfe zugesagt. Immerhin kommen am Mittwoch zunächst die 27 EU-Staats- und Regierungschefs und dann am Donnerstag die 47 Regierungen fast aller europäischer Staaten in Kopenhagen zusammen. Im Vordergrund steht auf den beiden europäischen Gipfeln der Abwehrkampf gegen ein als immer aggressiver empfundenes Russland, das auch hinter den Drohnenflügen vermutet wird.
Kanzler Friedrich Merz hatte deshalb vergangene Woche mit Wucht ein altes Thema neu auf die Agenda gesetzt: Nachdem gerade die Bundesregierung jahrelang sehr zurückhaltend in der Debatte um die Nutzung der eingefrorenen russischen Staatsvermögen war, hat sie nun die Position gewechselt: Merz will, dass der Ukraine 140 Milliarden Euro über eine komplizierte finanzielle Konstruktion zur Verfügung gestellt werden. Dies soll die Militärausgaben des Landes für die kommenden zwei bis drei Jahre sichern, damit sich die Ukraine gegen Russlands Angriffskrieg behaupten kann. Beschlüsse sollen aber erst auf dem regulären Gipfel Ende Oktober fallen.
Die Nutzung des eingefrorenen russischen Staatsvermögens wird in Berlin dabei als möglicher “game changer” im Ukraine-Krieg gesehen. Zum einen werde Russland gezeigt, dass Europa die Ukraine weiter unterstütze, heißt es in Regierungskreisen. Zum anderen könne man Washington demonstrieren, dass die Europäer wirklich handelten. Denn US-Präsident Donald Trump hatte die Militärhilfe für die Ukraine weitgehend eingestellt.
Im Zusammenhang damit werden auch die Bemühungen über eine verstärkte Rüstungszusammenarbeit in Europa gesehen. Die EU-Kommission soll dabei sogenannte flagships vorschlagen, also Projekte, bei denen die 27 EU-Länder zusammenarbeiten können. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie viel Geld die Europäer für Verteidigung ausgeben, sondern auch, wie man die europäische Rüstungsindustrie durch eine verstärkte gemeinsame Entwicklung von Waffensystemen fördern kann. Doch die großen EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Italien sind zurückhaltender gegenüber der Idee, dass dabei die EU-Kommission eine große Rolle spielen sollte. Sie wollen die zwischenstaatliche Zusammenarbeit lieber selbst organisieren – stoßen dabei aber selbst wie etwa beim deutsch-französisch-spanischen Projekt eines neuen Luftkampfsystems (FCAS) immer wieder auf Schwierigkeiten.
Die Drohnenabwehr wird durch die Vorfälle an dänischen Flughäfen und angesichts der russischen Angriffe auf die Ukraine besonders intensiv diskutiert werden. Deshalb dürfte es in Kopenhagen auch um die Frage gehen, ob die Europäer einen gemeinsamen Drohnenabwehrschirm entwickeln sollten. Auch die Ukraine bietet sich dabei als Partner an.
Während das Thema Israel nicht offiziell auf der Agenda des vierstündigen Treffens steht, wollen Kanzler Merz, aber auch der französische Präsident Emmanuel Macron die EU-Kommission auf dem Gipfel erneut auffordern, die Bürokratielasten deutlich zu reduzieren und auf weitere Auflagen für europäische Firmen zu verzichten. Auch dies soll den Anschub für Entscheidungen Ende Oktober geben.
Um die EU handlungsfähiger zu machen, will EU-Ratspräsident Antonio Costa zudem die Debatte über die Abstimmungsregeln innerhalb der EU-27 forcieren. Denn Debatten vor allem mit Ungarn und der Slowakei beim Umgang mit Russland verzögern Entscheidungen immer wieder. Es gibt aber auch zunehmende Sorgen, dass Vetos einiger osteuropäischer Länder den Fortschritt bei den Beitrittsgesprächen mit der Republik Moldau oder der Ukraine verhindern.
(redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)