Deutsche Inflation klettert auf 2,4% – Höchster Stand seit Dezember

Berlin/Helsinki (Reuters) – Die Inflation in Deutschland ist auch im September gestiegen und damit den zweiten Monat in Folge.

Waren und Dienstleistungen verteuerten sich um durchschnittlich 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Dies ist der höchste Wert seit Dezember. Fachleute hatten nur mit einem Anstieg auf 2,3 Prozent gerechnet, nach 2,2 Prozent im August. Von August auf September stiegen die Verbraucherpreise um 0,2 Prozent. “Die Teuerung ist hartnäckiger, als viele erhofft haben”, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Dies liege vor allem an deutlich gestiegenen Lohnkosten, weshalb die Preise für Dienstleistungen stark zulegten.

“Der Anstieg auf 2,4 Prozent ist nicht mehr als ein Schönheitsfehler”, sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. “Ursache ist auch die weniger üppige Entlastung durch die Energiepreise.” Hier handele es sich um einen Einmaleffekt – “die Entwicklung dreht im nächsten Monat schon wieder”, erklärte Krüger. “Bei der Europäischen Zentralbank wird der Sondereffekt also kaum ein Stirnrunzeln auslösen.”

Erneut billiger wurde Energie: Sie kostete im September 0,7 Prozent weniger als ein Jahr zuvor (August: -2,4 Prozent). Dienstleistungen verteuerten sich im Schnitt spürbar um 3,4 Prozent (August: +3,1 Prozent). “Aus geldpolitischer Sicht dürfte nicht so sehr der Anstieg der Gesamtinflation beunruhigen”, sondern vielmehr die anziehende Teuerung bei Dienstleistungen, sagte Deutsche-Bank-Analyst Sebastian Becker.

Nahrungsmittel kosteten 2,1 Prozent (August: +2,5) mehr. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen etwa mussten die Verbraucher 7,1 Prozent mehr für Obst bezahlen und 3,8 Prozent mehr für Eier und Molkereiprodukte. In Hessen kosteten Zucker, Marmelade, Honig und andere Süßwaren 4,1 Prozent mehr, während sich die Preise für Speisefette und -öle um 3,4 Prozent verringerten.

“WEITERE EZB-ZINSSENKUNGEN VERBIETEN SICH”

“Höhere Lebensmittelpreise und die anhaltende Teuerung bei den Dienstleistungen verhindern derzeit ein weiteres Absinken der Inflation”, sagte Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW-Institut. Allerdings gebe es zwei Faktoren, die in den kommenden Monaten eher preisdämpfend wirkten: Erstens die Euro-Aufwertung zum Dollar, die Importe günstiger macht, und zweitens die “kluge Handelspolitik der Europäischen Kommission”, betonte Heinemann. Seiner Ansicht nach ist die Brüsseler Behörde zu Unrecht scharf kritisiert worden, den Zollkrieg von US-Präsident Donald Trump nicht mit EU-Gegenzöllen zu beantworten. “Dies hätten die Verbraucher hierzulande bezahlt”, sagte der ZEW-Ökonom. “Auch dank dieser besonnenen Haltung liegen die Importpreise derzeit um 1,5 Prozent unter dem Vorjahresniveau und helfen, den Inflationsdruck etwas abzubremsen.”

Die Teuerungsrate ohne Nahrungsmittel und Energie, oft auch als Kerninflation bezeichnet, stieg von 2,7 auf 2,8 Prozent. Das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) für den Währungsraum liegt bei zwei Prozent. Die nach europäischen Standards berechnete deutsche Teuerungsrate liegt nun mit 2,4 Prozent darüber. Die Inflation in der gesamten Euro-Zone lag im August bei 2,0 Prozent. Für die Mittwoch anstehenden September-Daten erwarten Fachleute einen Anstieg auf 2,2 Prozent.

Die Währungshüter haben wegen des nachlassenden Preisdrucks seit vorigem Jahr achtmal ihren Leitzins gesenkt, im Juli und September aber eine Pause eingelegt. “Weitere EZB-Zinssenkungen verbieten sich”, sagte Krämer von der Commerzbank. Auch Michael Heise, Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter HQ Trust erklärte: “Eine Zinssenkung der EZB Ende Oktober ist auch aufgrund der deutschen Inflationsdaten sehr unwahrscheinlich geworden.”

EZB-Präsidentin Christine Lagarde lässt den weiteren Kurs derweil offen. Die Notenbank sei geldpolitisch in einer guten Position, sagte sie auf einer Konferenz in Helsinki. Doch müsse die EZB mit Agilität und auf solider Datenbasis daran arbeiten, dass es so bleibe. “Wir können uns nicht auf einen zukünftigen Zinspfad festlegen, sei es durch Handeln oder Nichthandeln”, betonte Lagarde. Es gelte, flexibel zu bleiben und bereit zu sein, auf eingehende Daten zu reagieren.

(Bericht von Klaus Lauer; Mitarbeit: Reinhard Becker und Anne Kauranen; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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