Merz mahnt Minister: Wettbewerbsfähigkeit Thema für alle

Berlin (Reuters) – Bei der Kabinetts-Klausur der schwarz-roten Regierung hat Kanzler Friedrich Merz Entscheidungen zur Ankurbelung der Wirtschaft zugesagt.

“Wir setzen alles daran, dass die deutsche Wirtschaft wieder Tritt fasst und dass sie wieder auf Wachstumskurs kommt”, sagte der CDU-Vorsitzende am Dienstag in der Villa Borsig im Norden Berlins. Dies sei aber eine Gemeinschaftsaufgabe für alle Ministerien. Der deutsche Standort müsse wieder attraktiv genug werden für Investitionen. Zuvor hatte die Initiative “Made for Germany” mitgeteilt, dass ihre mittlerweile 104 Mitglieder bis 2028 735 Milliarden Euro in Deutschland investieren wollten. Voraussetzung seien aber bessere Rahmenbedingungen.

VERÄNDERUNGSMÜDIGKEIT ALS HAUPTGEGNER

In der zweitägigen Klausurtagung wollen sich die Kabinettsmitglieder mit den Themen Wettbewerbsfähigkeit, Innovationen und Staatsmodernisierung beschäftigen. Am Vormittag habe der eingeladene Princeton-Ökonom Markus Brunnermeier die These vertreten, dass das deutsche, auf Stabilität beruhende Wirtschaftsmodell zwar erfolgreich gewesen sei, aber nun wegen der globalen und strukturellen Umwälzungen am Ende stehe. Künftig müsse man ein System entwickeln, dass stärker auf Resilienz, Anpassungsfähigkeit und Innovationen setze. Dazu sei ein Mentalitätswandel nötig.

In der Diskussion sei man sich im Kabinett einig gewesen, dass man mehr Veränderungsbereitschaft brauche, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Vizekanzler Lars Klingbeil habe etwa gesagt, dass Hauptgegner die schlechte Laune und Beharrungswillen seien. Verteidigungsminister Boris Pistorius habe ebenfalls auf eine verbreitete Veränderungsmüdigkeit verwiesen. Der Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gunther Krichbaum, kritisierte, dass in Deutschland typischerweise mit negativeren Begriffen als im Ausland diskutiert werde: Im Englischen sei etwa von “Venture-Kapital” die Rede, im Deutschen aber von “Risiko-Kapital”.

“Wettbewerbsfähigkeit hat viele Facetten, sie ist die Aufgabe aller Ministerien und es braucht daher auch die Abstimmung aller Beteiligten, aller Kolleginnen und Kollegen im Kabinett”, hatte der Kanzler zuvor gemahnt. Auch Sozialpolitik sei dafür entscheidend, fügte Merz in Anspielung auf die laufenden Debatten in der Regierung hinzu. “Wir müssen staatliche Leistungen überprüfen, sie müssen effizienter und unkomplizierter werden.” Zudem wolle man etwa über einen Aktionsplan für den Bau eines Fusionskraftwerks und einen Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Verfügbarkeit von Wasserstoff reden.

Verkehrsminister Patrick Schnieder musste wegen Kreislaufproblemen die Klausurtagung vorzeitig verlassen und sei im Krankenhaus untersucht worden, hieß es in Regierungskreisen. Es gehe ihm aber wieder gut.

KABINETT WILL MODERNISIERUNGSAGENDA BESCHLIESSEN

Digitalminister Karsten Wildberger stellt seine Modernisierungsagenda zum Abbau bürokratischer Lasten vor, die vom Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen werden soll. Diese sieht einen Abbau bürokratischer Lasten um 25 Prozent vor, was Einsparungen von 16 Milliarden Euro bringen soll. Eine ganze Reihe von Maßnahmen sind geplant wie ein einheitliches Kfz-Zulassungsportale für ganz Deutschland, Unternehmensgründungen in 24 oder 48 Stunden sowie eine sogenannte “Work-and-Stay”-Agentur, die wichtig für die gezielte Fachkräftegewinnung aus dem Ausland ist.

Zuvor hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) von der Bundesregierung tiefgreifende Reformen zum Bürokratieabbau gefordert. “Von der Kabinettsklausur muss ein Befreiungsschlag für Bürokratieentlastung ausgehen”, teilte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner mit. “Bürokratieabbau und Staatsmodernisierung sind für die Regierung der Lackmustest, ob und wie der angekündigte Herbst der Reformen unternehmerisch spürbar wird”, fügte sie hinzu. “Die Industrie ist besorgt, dass die Regierung die dringend benötigte Dynamik beim Bürokratieabbau durch mangelnde Geschwindigkeit in der Umsetzung abwürgt”, mahnte sie. Die von Wildberger geplanten Zeitvorgaben für die Umsetzung der Modernisierungsagenda wirkten wenig ambitioniert.

Auch DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov warnte, dass man nun “echte Reformen brauche, keine Symbolpolitik”. “Ganz oben steht wirtschaftliches Wachstum. Dafür braucht es klare Schritte in Richtung Wettbewerbsfähigkeit und Staatsmodernisierung”, sagte sie. Die Unternehmen seien bereit, jetzt müsse der politische Wille folgen.

Zuletzt hatten einige Konzerne Entlassungen angekündigt. Die Arbeitslosenzahlen fielen im September zwar wieder unter drei Millionen fallen lassen. Im Vergleich zum Vorjahr waren dies aber 148.000 Arbeitslose mehr, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Dienstag in Nürnberg mit.

(Bericht von Andreas Rinke; Redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2025binary_LYNXNPEL8T0O5-VIEWIMAGE