– von Ilona Wissenbach
Frankfurt (Reuters) -Die Krise der Autoindustrie in Deutschland verschärft sich: Der weltgrößte Zulieferer Bosch will wegen schwacher Nachfrage und hoher Kosten in der Kernsparte Mobility weitere 13.000 Arbeitsplätze streichen. In der Zuliefersparte Mobility rechne das Unternehmen mit weiterem Abbaubedarf in Deutschland von etwa 13.000 Stellen bis 2030, teilte Bosch am Donnerstag mit. Die Kosten müssten um 2,5 Milliarden Euro im Jahr sinken, sagte Bosch-Personalchef Stefan Grosch. “Und zwar jetzt – nur, wenn wir die Lücke zeitnah schließen, können wir die Zukunft von Bosch Mobility und Bosch insgesamt sichern.” Betriebsrat und IG Metall wollen in Verhandlungen den Stellenabbau eindämmen.
Bosch verwies auf die verhaltene Nachfrage am Automarkt vor allem in Deutschland und den zu langsamen Markthochlauf von Elektromobilität, automatisiertem Fahren und Wasserstoffantrieben. In die Technologien steckte Bosch über die Jahre zig Milliarden Euro. Doch jetzt gebe es nicht genug Aufträge und Überkapazitäten. Dazu komme ein harter Wettbewerb in China, auch für die Zulieferer, und Belastungen durch die US-Zollpolitik. Bosch will mit den Einsparungen die Umsatzrendite in der Autosparte auf sieben Prozent schrauben. Im vergangenen Jahr waren es 3,8 Prozent.
“KÄMPFEN WIE DIE LÖWEN”
Anders als sonst nannte Bosch diesmal von Vornherein eine Zahl zum Abbauplan, bevor an den einzelnen Standorten mit den Betriebsräten über sozialverträgliche Lösungen verhandelt wird. Hart getroffen sind die Standorte Feuerbach und Schwieberdingen bei Stuttgart. Auch Bühl in Baden und Homburg im Saarland müssen abbauen, das schwäbische Werk Waiblingen mit rund 560 Beschäftigten soll ganz geschlossen werden. In Produktion, Entwicklung und Verwaltung setzt Bosch den Rotstift an. Auch Sach- und Materialkosten sollen sinken, der Einsatz Künstlicher Intelligenz die Produktivität steigern.
Betriebsrat und Gewerkschaft kritisierten die Pläne und sprachen vom größten Stellenabbau der Firmengeschichte. Es stehe zwar außer Frage, dass die Lage der Branche sehr angespannt sei, sagte Betriebsratschef Frank Sell. “Einen Personalabbau dieser historischen Größenordnung – ohne gleichzeitige Zusagen zur Sicherung unserer Standorte in Deutschland – lehnen wir jedoch entschieden ab!” Es werde ein “extrem heißer” Herbst der Proteste, kündigte er an. “Wir werden kämpfen wie die Löwen.”
Da Bosch zu den größten Arbeitgebern in Deutschland gehört, appellierte auch IG-Metall-Chefin Christiane Benner an den Stiftungskonzern, den Niedergang des Standorts nicht zu befördern: “Gerade in den letzten Monaten vereinen wir alle Kräfte, um diesen Standort und seine Industriestrukturen zu erhalten und Sie schmeißen als Dank die Leute raus? So nicht!” Die IG Metall forderte den weiteren Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen. Für die Sparte gilt ein solcher Ausschluss bis Ende 2027. Die Beschäftigten seien massiv enttäuscht, nachdem sie in der Vergangenheit Zugeständnisse zum Erhalt von Jobs gemacht hätten, erklärte Adrian Hermes, Bosch-Konzernbeauftragter der IG Metall und Aufsichtsratsmitglied. Bei Betriebsversammlungen seien Mitarbeitende geschockt und mucksmäuschenstill gewesen, sagte Sell. “Viele haben geweint.”
SCHRUMPFKURS SEIT JAHREN
In den vergangenen zwei Jahren summierten sich die Stellenstreichungen im gesamten Bosch-Konzern schon auf mehr als 13.000 an einem Dutzend Standorten in Deutschland. Konzernweit sank die Zahl der Beschäftigten 2024 um 11.600 auf 418.000. Auf Mobility, mit 55 Prozent des Umsatzes und rund 230.000 Mitarbeitenden die größte Sparte, entfällt das Gros des laufenden Abbaus. Die 13.000 Arbeitnehmer kommen zu 9000 im vergangenen Jahr. Weltweit schrumpfte die Belegschaft des Geschäftsbereichs 2024 weltweit um 2,5 Prozent. Bis 2023 war sie allerdings auf 237.000 gewachsen. Dem Betriebsrat zufolge soll jetzt Produktion in Länder mit niedrigeren Lohnkosten verlagert werden.
Die gesamte Autoindustrie baut schon länger Personal ab. Nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) verlor die Branche in den vergangenen zwei Jahren knapp 55.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Die Beschäftigung sank damit um sieben Prozent auf 718.200 Mitarbeitende. Bei den Zulieferern war der Rückgang mit 11,5 Prozent auf 236.700 Beschäftigte besonders stark.
Der VDA hatte vor einem Jahr auf Basis einer Prognos-Studie gewarnt, vor allem durch den Wandel zur Elektromobilität könnten bis 2035 in der Branche 140.000 Arbeitsplätze wegfallen. Seither kamen mit den US-Importzöllen und der Verschärfung der Krise in China weitere Risikofaktoren hinzu. Bei allen deutschen Autobauern mit Ausnahme von BMW ist ein teils umfangreicher Stellenabbau bis zum Ende des Jahrzehnts in Gang. Auch die anderen großen Zulieferer Continental und ZF Friedrichshafen schließen Standorte und fahren die Beschäftigung zurück. Die Zahl der Insolvenzen steigt.
(Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)