Berlin (Reuters) – Die deutsche Industrie drängt die Bundesregierung zu einem deutlich stärkeren Raumfahrt-Engagement.
Deutschland müsse bei der europäischen ESA-Konferenz in Bremen im November seinen Beitrag von 3,5 Milliarden Euro auf sechs Milliarden Euro aufstocken, forderten die Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI), Peter Leibinger und Michael Schöllhorn, am Donnerstag in Berlin. Raumfahrt- und Forschungsministerin Dorothee Bär wollte sich auf dem BDI-Weltraumkongress nicht auf eine Zahl festlegen, sagte aber zu, dass Deutschland in Bremen “den größten Anteil” unter den europäischen Ländern leisten werde. “Das ist ein ganz, ganz wichtiges Signal”, sagte sie. Die US-Firma Planet Labs kündigte am Rand des BDI-Weltraumkongresses an, dass sie erstmals eine Satelliten-Produktion in Berlin aufbauen will.
BDI-Präsident Leibinger verwies auf das enorme Potenzial der Raumfahrt. Der globale Markt für weltraumgestützte Infrastruktur und Dienste wird sich laut einer Roland-Berger-Studie bis 2040 vervierfachen auf ein Volumen von zwei Billionen Euro. Der Präsident der European Space Agency (ESA), Josef Aschbacher, warnte, dass Europa bei den weltweiten Ausgaben für Raumfahrt weit zurückfalle. Aus den USA seien 2024 61 Prozent der gesamten Ausgaben für Raumfahrt gekommen, aus China 15 Prozent und aus Europa nur zehn Prozent.
“SEHR GROSSER RÜCKSTAND”
Laut der Studie “Aufholjagd im All” ist der Rückstand mittlerweile sehr groß. Deutschland betreibe derzeit nur etwas mehr als 80 eigene Satelliten, die USA dagegen mehr als 10.000 und China mehr als 900, heißt es beim BDI. Dadurch entstünden problematische Abhängigkeiten, etwa bei der Satellitenkommunikation oder bei den Raketenstarts. Dabei seien Satelliten heute für die Volkswirtschaften, Logistik, Mobilität und die Verteidigungsfähigkeit entscheidend. Sowohl BDI als auch BDLI fordern, dass der Staat sogenannter “Ankerkunde” werden müsse, die Weltraum-Industrie also mit Aufträgen versorgt.
Schöllhorn, der auch Airbus-Rüstungschef ist, warnte zudem, dass Europas Sicherheit von den Fähigkeiten im All abhängig ist. “Der Krieg in der Ukraine ist ein Weckruf, der uns zeigt, Souveränität im 21. Jahrhundert wird maßgeblich auch im Weltraum entschieden”, sagte er. “Wer hier nicht handlungsfähig ist, ist auf dem Boden, zu Wasser und in der Luft verwundbar und … zum Scheitern verurteilt.”
Die kalifornische Firma Planet Labs kündigte an, in Berlin eine Satelliten-Produktion hochzuziehen. “Wir werden Satelliten in Deutschland bauen”, sagte Will Marshall, CEO von Planet Labs. Das Unternehmen werde damit erstmals außerhalb von Kalifornien Satelliten bauen, eine “achtstellige Summe” investieren und seine Produktion verdoppeln. Der Satellitenbild-Anbieter hatte im Juli von der Bundesregierung einen neuen Auftrag im Umfang von 240 Millionen Euro für Satellitendienste bekommen. Die neuen Satelliten sollten mit Künstlicher Intelligenz in der Lage sein, Aufnahmen innerhalb von Minuten zu analysieren, sagte Marshall. Er verwies darauf, dass etwa der Konflikt in der Ukraine gezeigt habe, wie wichtig zeitnahe militärische Aufklärung durch Satelliten sei.
Als Grund für die Ansiedlung in Berlin sagte Marshall, dass das Unternehmen dort bereits 150 Mitarbeiter habe und es mit den Universitäten “einen hervorragenden Talentpool” gebe. Zudem sei die Nähe zur Regierung wichtig – “und ich finde Berlin auch eine wirklich coole Stadt”.
(Bericht von Andreas Rinke, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)