Bahn droht Hängepartie – EVG will Schnieders Personalpaket blockieren

– von Christian Krämer und Klaus Lauer

Berlin (Reuters) – Das von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder vorgeschlagene Personalpaket für die Deutsche Bahn droht zu scheitern und auch den CDU-Politiker zu beschädigen.

Die einflussreiche Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kündigte am Montag Widerstand an, nur Stunden nach der Vorstellung von Evelyn Palla als neue Chefin des Bahn-Konzerns und Dirk Rompf als Vorsitzendem der Infrastruktur-Tochter DB InfraGO. Am Dienstag soll der Aufsichtsrat der Bahn Palla zur neuen Chefin berufen. Dann wird sich zeigen, ob der Bahn eine Hängepartie droht. Schnieder stellte am Montag auch eine rund 30 Seiten starke Strategie vor, mit der die Bahn pünktlicher werden soll. Vorgesehen ist unter anderem eine stärkere Trennung von Holding und DB InfraGo. Vertreter der SPD beklagten, Schnieder habe sie viel zu spät eingespannt. Deswegen ist unklar, ob seine Ideen am Ende überhaupt umgesetzt werden.

Palla ist bisher im Bahn-Vorstand für den Regionalverkehr zuständig. Dieser weist eine Pünktlichkeit von fast 90 Prozent auf und schrieb im ersten Halbjahr 2025 schwarze Zahlen. Der gebürtigen Südtirolerin wird zugeschrieben, die DB Regio geräuschlos und effizient neu aufgestellt zu haben. Palla wäre nach 190 Jahren Bahn-Geschichte die erste Frau an der Spitze. Die 51-Jährige soll den bisherigen Bahnchef Richard Lutz ablösen. “Wir brauchen einen Neuanfang”, sagte Schnieder. Palla ergänzte, die Bahn müsse in allen Bereichen besser werden, was aber Zeit brauche. “Nichts wird schnell gehen.”

EVG-Chef Martin Burkert sagte, er schätze Palla zwar. Die Gewerkschaft werde aber das Paket mit Rompf ablehnen. “Der Weg nach vorne kann niemals durch die Vergangenheit führen.” Rompf habe in seiner früheren Tätigkeit bei der Bahn für einen “Sparwahn” gestanden. “Das ist kein Neuanfang.” Der Aufsichtsrat der Bahn besteht aus 20 Mitgliedern. Burkert sagte, es werde noch rechtlich geprüft, ob eine einfache oder eine Zwei-Drittel-Mehrheit für Palla nötig sei. Vermutlich werde es zum ersten Mal einen Vermittlungsausschuss geben, der aber wohl auch kein Ergebnis bringen werde. In letzter Runde werde dann eine einfache Mehrheit reichen. Aufsichtsratschef Werner Gatzer zeigte sich sehr zuversichtlich, dass Palla gewählt werde.

Die EVG ist eng mit der SPD verbunden. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sagte, er sei etwas irritiert. “Ich bin davon ausgegangen, dass mit den maßgeblichen Playern die Dinge vorher auch abgestimmt und rückgekoppelt sind.” Schnieder müsse zu einer Klärung beitragen. “Denn wir können in dieser Phase nicht gebrauchen, dass es hier ein großes Vakuum, ein längeres Vakuum gibt.” Auch der Grünen-Bahnexperte Matthias Gastel kritisierte, Schnieders Strategie für die Bahn sei nicht gut vorbereitet. Bei Rompf gebe es berechtigte Zweifel. Kanzler Friedrich Merz stellte sich über einen Regierungssprecher hinter Palla.

Schnieder bezeichnete Palla als die beste Kandidatin. Sie arbeitete ab 2011 bei den Österreichischen Bundesbahnen in Wien. Dort war sie ab 2015 als Vorstand der ÖBB Personenverkehr AG für den Regionalverkehr zuständig. Im Februar 2019 kam sie zur Deutschen Bahn, als Finanzvorstand der DB Fernverkehr AG. Im Juli 2022 wurde sie Chefin der DB Regio.

AUCH KRITIK AN BAHN-KONZEPT

Schnieder stellte am Montag auch sein Konzept zur Reform des Staatskonzerns vor. Für die Umsetzung sind in vielen Fällen aber mehrere Jahre vorgesehen. Zudem enthält das Papier Prüfaufträge. Unter anderem soll der Vorstand der Holding und der Infrastruktur-Tochter verkleinert werden. Beteiligungen, die nicht zum Kerngeschäft gehören, sollen abgestoßen werden. Im Fernverkehr wird bis 2029 eine Pünktlichkeitsquote von mindestens 70 Prozent angestrebt. Schnieder sprach von einem realistischen Ziel. Die Bahn hatte bislang aber schon für 2027 eine Pünktlichkeit von 75 bis 80 Prozent angestrebt. Langfristig will Schnieder auf 90 Prozent kommen. Mit Sofortprogrammen sollen die Bahnhöfe sicherer und sauberer werden. Außerdem soll die Kommunikation mit den Kunden verbessert und der Komfort in den Zügen erhöht werden.

Mit 90 Prozent Pünktlichkeit wäre die Deutsche Bahn auf Augenhöhe etwa mit dem Zugverkehr in Österreich oder den Niederlanden. Aktuell sind es hierzulande nicht einmal 60 Prozent. Palla sieht die Schweiz als Vorbild, wo nach Branchen-Angaben rund 99 Prozent der Züge pünktlich fahren. Die designierte DB-Chefin sprach aber von einem Marathon. “Ab sofort gilt: Qualität ist Chefinnensache”, so Palla. “Wir räumen auf.” Man werde Bürokratie, Doppelstrukturen und unnötige Beteiligungen abbauen.

Grünen-Experte Gastel warf Schnieder “wolkige Statements” vor. Es gebe zudem kaum klare Ziele. Der Verband der Güterbahnen bemängelte, dass das Frachtgeschäft bei Schnieder vernachlässigt werde. Die Monopolkommission begrüßte die stärkere Entflechtung von Betrieb und Netz. Es werde sich aber noch zeigen, ob die Pläne auch umgesetzt würden.

Die Gewinne der gemeinwohlorientierten DB InfraGO sollen ausschließlich der dringend sanierungsbedürftigen Infrastruktur zugutekommen und keine anderen Bereiche im DB-Konzern quersubventionieren, heißt es im Schnieder-Konzept. Die Gewinne der Tochter sollen transparent dargestellt, der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag überprüft werden.

SPD MACHT DRUCK AUF SCHNIEDER

Hauptansatzpunkt von Schnieder ist die Sanierung des Schienennetzes – mit Mitteln aus dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für die Infrastruktur. In die Digitalisierung sollen bis 2029 allein zehn Milliarden Euro fließen. Bis Ende 2026 soll ein Plan der DB InfraGO vorliegen, wie das Netz digitalisiert werden kann.

Schnieders Strategie ist absehbar aber kein Konzept der gesamten schwarz-roten Regierung. “Papiere sind der Anfang”, so der CDU-Politiker. Er ließ offen, wann die Strategie ins Kabinett kommen soll, also auch vom Koalitionspartner mitgetragen werden wird.

SPD-Chef und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hatte zuletzt in einem Brief an Schnieder gefordert, dieser müsse schnell ein Gesetz vorlegen, damit die neuen Gelder für die Infrastruktur auch abfließen könnten. Schnieder sagte lediglich, das Gesetz sei in Arbeit. Einen Zeitplan nannte er nicht.

(Mitarbeit von Markus Wacket und Andreas Rinke. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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