Geplante Amnestie – Massenproteste in Brasilien gegen Schutz für Bolsonaro

Sao Paulo/ Brasilia/ Rio de Janeiro (Reuters) – Zehntausende Menschen haben am Sonntag in den großen Städten Brasiliens gegen parlamentarische Vorstöße protestiert, die den ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro und andere Politiker vor Strafverfolgung schützen sollen.

Die von sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und politischen Parteien organisierten Demonstrationen waren die größten linksgerichteten Kundgebungen seit Jahren. Sie richteten sich gegen Gesetzesinitiativen, die Bolsonaro und seinen wegen des Sturms auf das Regierungsviertel 2023 inhaftierten Anhängern eine Amnestie gewähren könnten.

Die Proteste sind eine Reaktion auf zwei konkrete Maßnahmen im Kongress. Eine konservative Mehrheit im Abgeordnetenhaus stimmte vergangene Woche dafür, einen Gesetzentwurf im Eilverfahren zu behandeln, der Bolsonaro und seinen Anhängern Strafmilderung gewähren könnte. Zudem verabschiedete die Kammer einen Verfassungszusatz, der den Kongress ermächtigen würde, strafrechtliche Ermittlungen gegen Bundesabgeordnete zu blockieren. Präsident Luiz Inacio Lula da Silva unterstützte die Proteste. “Die heutigen Demonstrationen zeigen, dass die Bevölkerung keine Straflosigkeit oder Amnestie will”, erklärte er in den sozialen Medien.

Allein in Sao Paulo füllten nach Schätzungen von Forschern der Universität von Sao Paulo rund 40.000 Demonstranten die zentrale Avenida Paulista. Sie skandierten Parolen wie “Keine Amnestie” und “Bolsonaro ins Gefängnis”. “Ich bin hier, um die Demokratie zu verteidigen, gegen Extremismus aufzustehen und Nein zu Immunität und Amnestie für Putschisten zu sagen”, sagte die 62-jährige Pädagogin Scarlett Angelotti. Viele trugen das Trikot der Fußballnationalmannschaft, das lange als Symbol der Bolsonaro-Anhänger galt. Auch am Copacabana-Strand in Rio de Janeiro versammelten sich Tausende.

Der Oberste Gerichtshof hatte Bolsonaro wegen seiner Rolle bei Putschplänen nach seiner Wahlniederlage 2022 zu einer 27-jährigen Haftstrafe verurteilt. Er steht unter Hausarrest, bis seine Berufungen ausgeschöpft sind. Die Verurteilung gilt als historisch, da in Brasilien erstmals Militärangehörige für ihren Versuch, die Demokratie zu stürzen, bestraft wurden. Viele Demonstranten zogen Parallelen zur Militärdiktatur von 1964 bis 1985. “Wir waren einem Putsch Bolsonaros sehr nahe”, sagte der 63-jährige Renato Fonseca in Sao Paulo. “Ich hätte nie gedacht, dass wir einer weiteren Diktatur so nahe kommen würden.”

(Bericht von Isabel Teles, Berdardo Caram und Rodrigo Viga Gaier, geschrieben von Sabrina Frangos. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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