Paris (Reuters) – Mit landesweiten Streiks und Protesten haben in Frankreich zahlreiche Beschäftigte gegen geplante Kürzungen im Haushalt protestiert.
Lehrer, Lokführer, Apotheker und Krankenhauspersonal legten am Donnerstag die Arbeit nieder. Auch Schüler blockierten die Eingänge zu ihren Schulen. In der Hauptstadt Paris kam es zu erheblichen Störungen im Nahverkehr, wo zahlreiche U-Bahn-Linien nur zu den Stoßzeiten am Morgen fuhren. Auch der regionale Zugverkehr war stark beeinträchtigt. Die Behörden rechnen mit bis zu 800.000 Teilnehmern. Innenminister Bruno Retailleau kündigte den Einsatz von rund 80.000 Polizisten an.
Die Gewerkschaften fordern unter anderem mehr Ausgaben für öffentliche Dienste, höhere Steuern für Vermögende und eine Abkehr von der umstrittenen Rentenreform. “Die von uns vertretenen Arbeiter sind wütend”, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der großen Gewerkschaften. Nach Angaben der FSU-SNUipp, der größten Grundschulgewerkschaft des Landes, streikte jeder dritte Grundschullehrer. Die Apothekergewerkschaft USPO erklärte, 98 Prozent der Apotheken dürften für den Tag schließen. “Wir werden so lange mobilisieren, bis es eine angemessene Antwort gibt”, sagte die Chefin des Allgemeinen Gewerkschaftsverbunds CGT, Sophie Binet, nach einem Treffen mit dem neuen Ministerpräsident Sebastien Lecornu Anfang der Woche.
Die Proteste treffen Lecornu und Präsident Emmanuel Macron in einer politischen Krise. Das Haushaltsdefizit des Landes ist fast doppelt so hoch wie die EU-Obergrenze von drei Prozent. Der Schuldenberg hat sich inzwischen auf 114 Prozent der Wirtschaftsleistung aufgetürmt. Die US-Ratingagentur Fitch bewertet die Kreditwürdigkeit von Frankreich wegen der politischen Krise und steigender Schulden so schlecht wie noch nie. Sie hatte ihre Bonitätsnote für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone kürzlich auf A+ von zuvor AA- gesenkt.
Lecornu, ein enger Vertrauter des Präsidenten, wurde vergangene Woche zu Macrons fünftem Regierungschef in weniger als zwei Jahren ernannt. Zuvor hatte das Parlament Francois Bayrou das Vertrauen entzogen – er war mit seinem Plan für Einsparungen in Höhe von 44 Milliarden Euro gescheitert.
(Bericht von Zhifan Liu, Makini Brice, Dominique Vidalon, Mathias de Rozario, Juliette Jabkhiro und Gus Trompiz, geschrieben von Philipp Krach, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)