EU-Kommission dringt auf weitreichende Israel-Sanktionen

Brüssel/Berlin (Reuters) – Die EU-Kommission hat wegen des Gaza-Kriegs weitreichende Sanktionen gegen Israel vorgeschlagen.

Demnach soll das bestehende Freihandelsabkommen ausgesetzt werden, wie die Brüsseler Behörde am Mittwoch mitteilte. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte, zudem solle es ein Sanktionspaket gegen den rechtsextremen Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und Finanzminister Bezalel Smotrich sowie gegen gewalttätige israelische Siedler und zehn hochrangige Mitglieder der radikal-islamischen Hamas geben. Die EU-Staaten müssen dem Paket zustimmen, eine Mehrheit scheint allerdings fraglich.

Deutschland hielt sich eine Entscheidung über eine Unterstützung der Vorschläge offen. “Die Bundesregierung hat sich noch keine abschließende Meinung darüber gebildet”, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius in Berlin. An der grundsätzlichen Haltung, dass man an der Seite Israels stehe, die Gaza-Offensive jedoch falsch finde, habe sich nichts geändert. Dass die Regierung EU-Sanktionen nicht sofort ablehnt, gilt jedoch als kleine Kurskorrektur. Innerhalb der Koalition wächst vor allem aus der SPD der Druck, die Maßnahmen zu unterstützen. Die CSU ist indes strikt dagegen.

In deutschen Regierungskreisen hieß es, man habe große Zweifel, ob Sanktionen die israelische Regierung zum Einlenken bewegen könnten. Zudem müsse Kanzler Friedrich Merz die unterschiedlichen Sichtweisen in der Koalition zusammenhalten. Für die Aussetzung des Handelsabkommens ist eine qualifizierte Mehrheit von 15 der 27 EU-Staaten nötig. Diplomaten zufolge ist dies unwahrscheinlich, viel hänge vom Votum Deutschlands ab. Auch Ungarn und Österreich stehen Sanktionen gegen Israel skeptisch gegenüber. Israel exportiert Waren im Volumen von 5,8 Milliarden Euro in die EU, was zu Zöllen von etwa 227 Millionen Euro pro Jahr führen würde. Das gesamte bilaterale Handelsvolumen beträgt gut 42 Milliarden Euro.

“MORALISCH UND POLITISCH VERZERRT”

Die Sanktionen gegen israelische Minister müssten Diplomaten zufolge sogar einstimmig von den 27 EU-Staaten verabschiedet werden. Die EU-Kommission hatte bereits ihre direkten bilateralen Hilfen für Israel auf Eis gelegt. Ausgenommen davon sind Projekte der Zivilgesellschaft sowie die Unterstützung der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Der israelische Außenminister Gideon Saar nannte die Vorschläge der EU-Kommission “moralisch und politisch verzerrt”.

Auslöser der israelischen Militäroffensive war der Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023, bei dem israelischen Angaben zufolge rund 1200 Menschen getötet und 251 Geiseln genommen wurden. Bei dem darauffolgenden israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen sind nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums mehr als 64.000 Palästinenser getötet worden.

(Bericht von Lili Bayer und Andrew Gray in Brüssel, Andreas Rinke und Alexander Ratz in Berlin, Alexander Cornwell in Jerusalem; redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)

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