Berlin (Reuters) – Die kriselnde deutsche Autoindustrie beschäftigt nach dem Abbau Zehntausender Stellen so wenige Mitarbeiter wie seit 2011 nicht mehr.
Ende September arbeiteten gut 48.700 weniger Männer und Frauen in der Branche als noch ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Das entspricht einem Rückgang von 6,3 Prozent. Er falle damit so hoch aus wie in keiner anderen großen Industriebranche mit mehr als 200.000 Beschäftigten. Mit 721.400 fiel die Zahl der Mitarbeiter in der Automobilindustrie auf einen Tiefstand: Weniger Menschen waren hier zuletzt Mitte 2011 beschäftigt (718.000). Dennoch bleibt dieser Wirtschaftszweig die zweitgrößte Industriebranche nach dem Maschinenbau mit rund 934.200 Beschäftigten.
Zum Vergleich: Im Verarbeitenden Gewerbe insgesamt waren Ende September rund 5,43 Millionen Beschäftigte tätig. Das waren 120.300 oder 2,2 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. “Die langanhaltende Rezession in der Industrie macht sich deutlich in der Beschäftigungsentwicklung bemerkbar”, sagte der Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia.
Innerhalb der Autoindustrie sind die Zulieferer deutlich stärker vom Stellenabbau betroffen als die Hersteller. Dies sei “typisch für konjunkturell schwierige Zeiten, weil der Kostendruck dann von den Automobilherstellern zu einem großen Teil an die Zulieferer weitergereicht wird”, sagte der Chefvolkswirt de la Rubia. Bei den Herstellern von Kraftwagen und Kraftwagenmotoren sind mit aktuell 446.800 Mitarbeitern 3,8 Prozent weniger Personen beschäftigt als ein Jahr zuvor. In der Zulieferbranche der Hersteller von Karosserien, Aufbauten und Anhängern betrug der Rückgang 4,0 Prozent auf zuletzt 39.200. Deutlich höher fiel er im Zulieferbereich der Hersteller von Teilen und Zubehör für Kraftwagen mit 11,1 Prozent aus. Hier arbeiteten zuletzt knapp 235.400 Personen. Weitere Zulieferer außerhalb der Automobilindustrie, wie zum Beispiel in der Herstellung und Runderneuerung von Bereifungen, wurden in der Auswertung nicht berücksichtigt.
NAHRUNGSMITTELBRANCHE STEMMT SICH GEGEN DEN NEGATIVTREND
Den deutschen Herstellern machen die hohen US-Zölle und der Aufstieg der chinesischen E-Autobauer zu schaffen. Zuletzt kam es zudem zu Versorgungsschwierigkeiten mit Halbleitern des Herstellers Nexperia. Die Stimmung in der deutschen Autobranche hat sich im Oktober dennoch spürbar verbessert. Das Barometer für das Geschäftsklima stieg auf minus 12,9 Punkte, von minus 21,3 Zählern im September, wie das Münchner Ifo-Institut herausfand.
Auch in anderen großen Industriebranchen wurden zuletzt Stellen abgebaut. In der Metallerzeugung und -bearbeitung sank die Zahl um 5,4 Prozent auf 215.400. Bei den Herstellern von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen ging sie um 3,0 Prozent zurück auf 310.300 Beschäftigte. Etwas höher als im Durchschnitt fiel der Rückgang auch in der Kunststoffindustrie (-2,6 Prozent auf 321.400) sowie in der Metallerzeugung (-2,5 Prozent auf 491.500) aus. Wie im Schnitt der gesamten Industrie sank die Zahl der Beschäftigten auch im Maschinenbau um 2,2 Prozent: Hier waren Ende September rund 934.200 Personen beschäftigt. In der chemischen Industrie (-1,2 Prozent auf 323.600) und bei den Herstellern von elektrischer Ausrüstung (-0,4 Prozent auf 387.500) fiel das Minus unterdurchschnittlich aus. “Möchte man die positive Seite dieser Entwicklung sehen, könnte es gut sein, dass viele Unternehmen es durch den Beschäftigungsabbau schaffen, produktiver und wettbewerbsfähiger zu werden”, sagte Ökonom de la Rubia. Die Nahrungsmittelindustrie schaffte als einzige große Branche ein Plus, und zwar um 1,8 Prozent auf 510.500.
Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) fordert eine gezieltere Industriepolitik. “Die aggressive Handelspolitik der USA ebenso wie die aggressive Industriepolitik Chinas haben das Ziel, heimische Produktion anzukurbeln”, sagte der wissenschaftliche IMK-Direktor Sebastian Dullien. “Das geht auf Kosten der deutschen Industrie.” Deutschland sollte die EU dazu anregen, selber Schlüsselbranchen zu definieren und den Binnenmarkt zu nutzen, um europäische Produktion in diesen Branchen zu fördern.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)










