Zehn Tote bei neuem russischem Großangriff auf die Ukraine

Lwiw (Reuters) – Russland hat die Ukraine vor neuen Gesprächen in der Türkei über Möglichkeiten zur Beendigung des Krieges massiv mit Luftangriffen überzogen.

Dabei wurden in der westukrainischen Stadt Ternopil zehn Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt, wie die ukrainische Regierung am Mittwoch mitteilte. Ein mehrstöckiges Wohnhaus sei dort getroffen worden. Erneut sei auch wieder die Energie- und Verkehrsinfrastruktur attackiert worden, was in mehreren Regionen zu Notabschaltungen der Stromversorgung führte. Russland habe mehr als 470 Drohnen und 48 Raketen eingesetzt. Das russische Verteidigungsministerium sprach von “massiven” Angriffen auf Ziele in der Westukraine als Reaktion auf “terroristische Angriffe”. Zuvor hatte Russland erklärt, einen ukrainischen Angriff mit Raketen des US-Typs ATACMS auf die Stadt Woronesch abgewehrt zu haben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wollte im Tagesverlauf in Ankara mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan über Wege zu einem Ende des Krieges beraten.

Alle zehn Todesopfer seien in Ternopil zu beklagen, sagte der ukrainische Innenminister Ihor Klymenko. 37 Menschen seien dort verletzt worden, darunter zwölf Kinder. Die oberen Stockwerke des Wohnhauses seien bei dem Angriff zerstört worden. Aus dem Gebäude stieg schwarzer Rauch auf. Es wurde befürchtet, dass noch Menschen unter den Trümmern eingeschlossen sein könnten. Selenskyj forderte die Verbündeten auf, den Druck auf Russland zu erhöhen und der Ukraine Kiew mehr Flugabwehrraketen zu liefern. “Jeder schamlose Angriff auf das alltägliche Leben zeigt, dass der Druck auf Russland unzureichend ist”, schrieb Selenskyj auf der Online-Plattform X. “Wirksame Sanktionen und Hilfe für die Ukraine können dies ändern.”

Versorgern zufolge wurde die Energieinfrastruktur in sieben ukrainischen Regionen getroffen. Das genaue Ausmaß der Schäden war zunächst unklar. Im ganzen Land wurde der Stromverbrauch für die Bevölkerung jedoch eingeschränkt.

POLEN UND RUMÄNIEN LASSEN LUFTRAUM MIT KAMPFJETS SICHERN

Polen ließ wegen der russischen Angriffe auf die benachbarte Westukraine erneut Kampfjets zum Schutz des eigenen Luftraums aufsteigen. Die Flughäfen Rzeszow und Lublin im Südosten Polens wurden vorübergehend geschlossen, um dem Militär im Luftraum mehr Bewegungsfreiheit zu geben. Das ukrainische Nachbarland Rumänien startete Kampfflugzeuge zur Luftraumsicherung nach der Ortung einer Drohne während der russischen Angriffe auf der anderen Seite der Donau. Darunter waren auch zwei Eurofighter eines Bundeswehr-Kontingents, das dort gemeinsam mit der rumänischen Luftwaffe den südöstlichen Luftraum des Nato-Gebiets sichert. Berichte über einen Drohneneinschlag auf rumänischem Gebiet lagen nicht vor. Das EU- und Nato-Mitglied Rumänien hat eine 650 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine. Es sind wiederholt Trümmer russischer Drohnen in Rumänien während russischer Angriffe auf ukrainische Häfen niedergegangen.

RUSSLAND: ATACMS ABGESCHOSSEN – BERICHT ÜBER US-FRIEDENSPLAN

Russland teilte mit, das Militär habe einen ukrainischen Angriff mit Raketen des US-Typs ATACMS auf die Stadt Woronesch abgewehrt. Alle vier Raketen seien von den russischen Flugabwehrsystemen abgefangen worden. Herabfallende Trümmer hätten die Dächer eines Altenheims und eines Waisenhauses sowie ein Wohnhaus beschädigt. Es habe aber keine Verletzten gegeben. Als Reaktion habe Russland zwei ukrainische Mehrfachraketenwerfer mit Iskander-M-Raketen beschossen.

Das ukrainische Militär hatte am Dienstag mitgeteilt, Ziele in Russland mit von den USA gelieferten ATACMS angegriffen zu haben. Dies sei eine “bedeutende Entwicklung”. Die Ukraine hatte die Waffensysteme 2023 erhalten, durfte sie jedoch zunächst nur auf eigenem Staatsgebiet einsetzen, das zu fast einem Fünftel von Russland kontrolliert wird. Die Ukraine hatte bereits im Januar russisches Gebiet mit ATACMS-Raketen attackiert. Nachdem die Ukraine im vergangenen Jahr ATACMS-Raketen und britische Storm-Shadow-Marschflugkörper gegen Ziele in Russland eingesetzt hatte, ordnete der russische Präsident Wladimir Putin den Angriff mit einer neuen Hyperschallrakete an.

Die US-Regierung arbeitet einem Medienbericht zufolge an einem neuen Plan zur Beendigung des Krieges in der Ukraine. Dies geschehe unter Einbeziehung Russlands, berichtete das Nachrichtenportal Axios unter Berufung auf Insider in den USA und Russland. Dabei handele es sich um einen 28-Punkte-Plan – in Anlehnung an den US-Plan für den Gazastreifen. Beinhalten soll er Frieden in der Ukraine, Sicherheitsgarantien, Sicherheit in Europa und die künftige Beziehung der USA zu Russland. Der Sondergesandte Steve Witkoff habe den Plan bereits mit dem ukrainischen Sicherheitsberater Rustem Umerow Anfang der Woche in Miami erörtert, hieß es laut Axios von ukrainischer Seite. Ein US-Insider habe gesagt, dass die US-Regierung auch bereits europäische Partner informiert habe. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte, dass es seit dem Gipfeltreffen von Putin und Trump im August keine neuen Entwicklungen zu verkünden gebe. Vom US-Präsidialamt war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Selenskyj will Insidern zufolge nach seinen Beratungen mit Erdogan am Donnerstag in Kiew zwei hochrangige Vertreter des US-Militärs treffen. Dabei handele es sich um die ranghöchsten US-Militärs, die seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump im Januar die ukrainische Hauptstadt besuchen.

(Bericht von Andriy Perun, Mitarbeit von Lidia Kelly und Anastasiia Malenko, geschrieben von Christian Götz, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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