Nexperia-Chipmangel bremst Autoindustrie – “keine Entwarnung”

– von Ilona Wissenbach

Frankfurt/Tokio (Reuters) – Trotz der Bemühungen um eine Lösung des Streits zwischen den Niederlanden und China um den Chiphersteller Nexperia stockt die Versorgung mit den wichtigen Bauteilen weiter.

“Mit Blick auf die Versorgungslage ist die Situation weiterhin angespannt”, erklärte Marcus Bollig, Geschäftsführer beim Verband der Automobilindustrie (VDA), auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. “Es ist zu früh, von einer Entwarnung zu sprechen.” Der Engpass könne sich auch in den kommenden Wochen auf die Lieferketten in der Autoindustrie auswirken.

Beim weltweit größten Autozulieferer Bosch kommt es weiter vorübergehend zu Produktionsausfällen. ZF Friedrichshafen hat nach eigenen Angaben noch bis Mitte nächster Woche genug Halbleiter. Der Autobauer Nissan drosselt Insidern zufolge die Produktion in zwei Werken in Japan, weil Nexperia-Chips für elektronische Bauteile fehlen.

Die Krise ist damit anderthalb Monate nach ihrem Ausbruch noch nicht abgewendet. Ausgangspunkt war die Entscheidung der niederländischen Regierung Ende September, dem chinesischen Nexperia-Eigner Wingtech die Kontrolle über das in den Niederlanden beheimatete Unternehmen zu entziehen. Wirtschaftsminister Vincent Karremans begründete das gegenüber der britischen Zeitung “Guardian” vergangene Woche damit, dass Nexperia unter chinesischer Leitung geistiges Eigentum nach China brachte, Entlassungen vornahm und die Produktion im deutschen Werk in Hamburg verlagern wollte.

China untersagte in Reaktion auf das Vorgehen der Niederlande Anfang Oktober den Export von Produkten mit Nexperia-Chips aus China. Anfang November hieß es dann, die Restriktionen würden gelockert. Manche Autozulieferer konnten sich wieder mit den Halbleitern für elektronische Bauteile versorgen. In dieser Woche wollte eine hochrangige Delegation der Niederlande mit der Regierung in Peking über eine Lösung der politisch verursachten Krise sprechen.

KRISENSTÄBE ROTIEREN

Bosch verfolge die handelspolitischen Entwicklungen sehr genau und sehe erste Schritte hin zu einem politischen Dialog zwischen den Beteiligten, sagte ein Sprecher des Stiftungskonzerns. “Wir hoffen weiterhin auf eine dauerhafte Lösung.” Unterdessen sei die Produktion in den Werken Ansbach, Salzgitter und in Braga/Portugal weiter beeinträchtigt. “Wir priorisieren weiterhin alles, um unsere Kunden zu bedienen und Produktionseinschränkungen zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten.”

Bosch schickt nötigenfalls Beschäftigte nach Hause, wenn die Fertigung stockt. Im Werk Salzgitter werde “situativ” das bewährte Instrument Kurzarbeit für 300 bis 400 von rund 1300 Mitarbeitenden genutzt. In Ansbach sind es etwa 650 von rund 2500 Beschäftigten, die vorübergehend freigestellt werden und dann Kurzarbeitergeld der Bundesanstalt für Arbeit erhalten. Im Werk Braga sind etwa 2500 von rund 3300 Arbeitnehmern zeitweilig von Arbeitszeitanpassungen und Freistellungen betroffen.

Auch ZF Friedrichshafen hatte sich auf Kurzarbeit vorbereitet, muss sie einem Sprecher zufolge aber bis Ende November nicht umsetzen. Die interne Taskforce habe sich intensiv bemüht, die Halbleiter-Bedarfe bis Mitte nächster Woche zu decken. “Wir können produzieren und unsere Kunden beliefern.” Ab Dezember kann ZF Kurzarbeit jedoch nicht ausschließen.

Nissan kürzte aufgrund der Engpässe bei Halbleitern von Nexperia die Fahrzeugproduktion in zwei Werken in Japan, wie von Insidern zu erfahren war. In Kyushu sollen in der kommenden Woche voraussichtlich 1400 Autos weniger vom Band laufen. Das Werk Oppama nahe Tokio baut die zweite Woche in Folge weniger Autos als geplant. “Wir nehmen die notwendigen Produktionsanpassungen vor, um die damit verbundenen Risiken in den Griff zu bekommen”, erklärte Nissan.

(Mitarbeit von Maki Shiraki. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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