Klingbeil pocht in Peking auf fairen Wettbewerb

– von Maria Martinez und Liz Lee

Peking/Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung pocht in China auf Zugeständnisse in der Handelspolitik. “Wir scheuen den Wettbewerb nicht”, sagte Finanzminister Lars Klingbeil am Montag beim Deutsch-Chinesischen Finanzdialog in Peking.

Es brauche aber einen fairen Wettbewerb. “Jede Partnerschaft erfordert eine verlässliche Zusammenarbeit.” Klingbeil ist der erste Vertreter der seit Mai amtierenden schwarz-roten Bundesregierung, der China besucht. Bundeskanzler Friedrich Merz bezeichnete in Berlin sowohl China als auch die USA als große Herausforderungen für Deutschland und die EU. Die Entwicklung in China sei “nach innen immer repressiver, nach außen immer aggressiver”, sagte der CDU-Chef auf dem Wirtschaftskongress der “Süddeutschen Zeitung”. Er sei beispielsweise entsetzt, wie hoch die Abhängigkeit Europas von Medikamenten aus China und Indien sei.

Abhängigkeiten gibt es auch bei Rohstoffen und Halbleitern. Klingbeil sagte, er habe die jüngsten Exportkontrollen Chinas etwa bei Seltenen Erden angesprochen. Diese sind eine Folge des internationalen Handelskonflikts und wirkten sich sofort in der deutschen Industrie aus. Die Exportbeschränkungen seien eine ernste Bedrohung für die Weltwirtschaft. “Wir setzen auf offene Märkte”, so der SPD-Chef, der noch bis Mittwoch in China ist und neben Peking auch die Wirtschaftsmetropole Shanghai besuchen will.

“Wir sind vorangekommen”, sagte Klingbeil zu Journalisten. China habe ihm die Zusage gegeben, das Thema ernst zu nehmen. Trotzdem sei dies erst der Beginn eines Dialogs. China wolle bei den Seltenen Erden eine Lösung finden. Dies gelte auch für die vielen Billig-Produkte aus China auf dem europäischen Markt.

Klingbeil kritisierte zum Beispiel eine Schwemme chinesischen Billig-Stahls. Dies gefährde Arbeitsplätze in Deutschland. Im Stahlbereich werden Lieferungen, die eigentlich für die USA vorgesehen waren, wegen der hohen US-Zölle nach Europa umgelenkt. Der chinesische Stahl ist oft dank staatlicher Subventionen sehr günstig, weswegen europäische Anbieter noch stärker unter Druck geraten. Chinesische Überkapazitäten gebe es auch bei Elektroautos und im Solarsektor, sagte Klingbeil.

Die USA grenzen sich zunehmend von China ab. Im ersten Halbjahr 2025 seien die US-Importe aus China im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 16 Prozent eingebrochen, teilte das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) mit. “Weil sich die USA stärker von China abschotten, wird Deutschland zunehmend zum Ausweichmarkt für chinesische Unternehmen”, sagte IW-Experte Jürgen Matthes.

KLINGBEIL: CHINA SOLLTE DRUCK AUF RUSSLAND AUSÜBEN

Klingbeil wurde auf seiner Reise von hochrangigen Managern von Banken und Versicherungen begleitet. Sie wollten beim Finanzdialog einen besseren Marktzugang in der Volksrepublik erreichen. Klingbeil sagte, der Austausch beider Länder sei wichtig. Er sprach von einem guten Auftakt und teils kritischen Gesprächen. In zwei Jahren werde der nächste Finanzdialog in Deutschland stattfinden. Es brauche einen fairen gegenseitigen Marktzugang. Konkrete Vereinbarungen wurden allerdings nicht erwartet. Deutschland wolle auch in der Klimapolitik die Zusammenarbeit suchen, so Klingbeil. Er forderte China zudem auf, seinen Einfluss auf Russland geltend zu machen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden.

Der stellvertretende chinesische Ministerpräsident He Lifeng äußerte bei dem Finanztreffen wiederum die Hoffnung, dass Deutschland seinen Einfluss innerhalb der Europäischen Union nutzen werde, um die Beziehungen zwischen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und dem 27 Länder umfassenden Staatenbund zu verbessern. Er fügte hinzu, dass die Volksrepublik deutsche Unternehmen bei Investitionen auf dem chinesischen Markt willkommen heiße und er davon überzeugt sei, dass Handelskonflikte durch Dialog und Konsultationen gelöst werden könnten. China wolle engere Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland.

KEINE EINFACHEN BEZIEHUNGEN

Bundesaußenminister Johann Wadephul hatte im Oktober kurzfristig seine geplante Reise nach China abgesagt. Der CDU-Politiker wollte dort auch Handelsfragen ansprechen, hatte dafür aber keine ranghohen Gesprächspartner bekommen. Ein Besuch von Merz in China wird in den nächsten Monaten erwartet. Der Bundestag hat gerade dafür gestimmt, eine Expertenkommission zu China einzurichten. Sie soll Handlungsempfehlungen zum Handel vorlegen. Als Ziel sind Anpassungen etwa im Außenwirtschaftsrecht vorgesehen. Konkret soll das Gremium Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten benennen. Außerdem sollen chinesische Investitionen und Investitionsmöglichkeiten in die kritische Infrastruktur in Deutschland überprüft werden.

“Europa und China stehen in einer sehr zwiespältigen Beziehung zueinander”, sagte Denis Depoux von der Unternehmensberatung Roland Berger. “Einerseits brauchen wir sie, andererseits sind wir besorgt wegen Sicherheitsfragen.” In den ersten acht Monaten 2025 war China noch vor den USA der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Experten zufolge wird Deutschland in diesem Jahr im gegenseitigen Handel ein Defizit von 87 Milliarden Euro machen. Von Januar bis August fielen die Exporte Richtung China um 13,5 Prozent, während die deutschen Importe um mehr als acht Prozent zulegten.

(Mitarbeit von Christian Krämer, Rene Wagner und Andreas Rinke in Berlin, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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