Berlin (Reuters) – Ob Software, KI oder Cloud-Lösungen: Unternehmen in Deutschland sehen sich in zentralen Technologiefeldern in einer immer größer werdenden Abhängigkeit von nicht-europäischen Anbietern oder Partnern.
Das geht aus einer repräsentativen Befragung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) unter rund 1100 Betrieben hervor, die der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorab vorlag. In der Informationswirtschaft schätzen mehr als 60 Prozent, dass sie in mindestens einem der acht abgefragten Technologiefelder stark von Drittstaaten abhängig sind. Im Verarbeitenden Gewerbe beträgt dieser Anteil fast 50 Prozent.
“Digitale Souveränität gilt als wichtige Voraussetzung für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sowie die strategische Unabhängigkeit Deutschlands und Europas”, sagte Studienleiter Daniel Erdsiek vom ZEW-Forschungsbereich “Digitale Ökonomie”. “Die Abhängigkeit von ausländischen – insbesondere nicht-europäischen – Anbietern und Partnern kann die digitale Souveränität von Unternehmen jedoch entscheidend einschränken.”
Besonders häufig sehen sich Unternehmen im Bereich Software und Anwendungen sehr abhängig von nicht-europäischen Anbietern und Partnern. In der Informationswirtschaft sagen das 47 Prozent, im Verarbeitenden Gewerbe 31 Prozent. Im Verlauf der vergangenen Jahre sei dieser Anteil gestiegen.
“Beim Thema Künstliche Intelligenz nehmen Unternehmen insbesondere im Bereich der generativen KI – wie etwa ChatGPT – Abhängigkeiten wahr”, sagte Erdsiek. Hier schätze sich mehr als jedes dritte Unternehmen in der Informationswirtschaft und etwa jede vierte Firma im Verarbeitenden Gewerbe als sehr abhängig von nicht-europäischen Anbietern ein. Im Vergleich zu 2024 sei damit der Anteil in beiden Branchen um jeweils sechs Prozentpunkte gestiegen.
“EUROPA BRAUCHT KEINE CHAT-GPT-KOPIE”
Besonders große Unternehmen verzeichnen eine Abhängigkeit. Während sich in der Informationswirtschaft unter den kleinen Unternehmen mit fünf bis 19 Beschäftigten 60 Prozent als sehr abhängig einstufen, beträgt dieser Wert bei den mittleren Firmen (20 bis 99 Beschäftigte) bereits 66 Prozent. Bei großen Unternehmen mit mindestens 100 Mitarbeitern sind es sogar 74 Prozent. Im Verarbeitenden Gewerbe sehen 44 Prozent der kleinen und 63 Prozent der großen Unternehmen starke Abhängigkeiten.
“Bei der Interpretation der Unterschiede nach Größenklassen ist allerdings zu beachten: Es handelt sich um subjektive Einschätzungen möglicher Abhängigkeiten”, sagte ZEW-Experte Erdsiek. Kleinere Unternehmen könnten ähnlich stark von nicht-europäischen Anbietern abhängig sein wie größere, sich dieser Abhängigkeiten jedoch weniger bewusst sein. “Das könnte auch daran liegen, dass sie seltener in direkten Beziehungen zu solchen Anbietern stehen oder mittelbare Abhängigkeiten weniger erkennen”, erläuterte Erdsiek.
Die deutsche Wirtschaft ist beim Thema digitale Souveränität einer Studie zufolge unzufrieden mit der Bundesregierung. Die Politik verharre in Strategiepapieren, statt Reformen umzusetzen. Dies ergab eine Umfrage des IT-Dienstleisters Adesso unter 500 Führungskräften. Man dürfe Schlüsseltechnologien nicht internationalen Konzernen überlassen, sagte Adesso-Chef Mark Lohweber. “Europa braucht dafür keine Kopie von ChatGPT, sondern eigene, souverän betriebene Modelle und Plattformen.”
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)











