(Neu: Rücktritt, Wadephul, Selenskyj, Einzelheiten)
– von Dan Peleschuk und Alexander Ratz
Kiew/Berlin (Reuters) – Die Korruptionsermittlungen gegen einen staatlichen Atomkonzern in der Ukraine setzen die Regierung in Kiew zunehmend unter Druck.
Energieministerin Switlana Hryntschuk erklärte am Mittwoch ihren Rücktritt, beteuerte zugleich aber ihre Unschuld. Zudem suspendierte die ukrainische Regierung Justizminister Herman Haluschtschenko, der das Energieressort zuvor geleitet hatte. Haluschtschenko äußerte Verständnis für den Schritt von Ministerpräsidentin Julija Swyrydenko. Die Bundesregierung erklärte in Berlin, dass von dem Fall deutsche Hilfen für die Energiesicherung in der Ukraine nicht betroffen seien.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte im Zuge der Ermittlungen die Entlassung der Justiz- und Energieminister gefordert. Er unterstütze die Anti-Korruptionsbehörden bei ihren Ermittlungen, sagte Selenskyj in einer Videoansprache. Es sei “absolut nicht normal”, dass es im Energiesektor immer noch “irgendwelche Machenschaften” gebe. Kurz darauf erklärte Hryntschuk via Facebook ihren Rücktritt, wies zugleich aber jegliches Fehlverhalten zurück.
Den Ermittlungen des Nationalen Antikorruptionsbüros zufolge geht es um ein mutmaßliches Schmiergeldsystem im Volumen von rund 87 Millionen Euro, in das hochrangige Beamte des Energiesektors verwickelt sein sollen. Sieben Personen wurden bereits beschuldigt, fünf Personen festgenommen, zwei weitere seien noch auf freiem Fuß. Haluschtschenko, der nicht zu den sieben Personen gehört, erklärte auf Facebook: “Eine Suspendierung für die Dauer der Ermittlungen ist ein zivilisiertes und angemessenes Szenario.” Er werde sich “auf rechtlichem Wege verteidigen und meinen Standpunkt beweisen”.
Bundesaußenminister Johann Wadephul mahnte die ukrainische Regierung zu einem entschlossenen Kampf gegen die Korruption. Dies habe er dem ukrainischen Außenminister Andrij Sybiha deutlich gemacht, sagte Wadephul am Rande des G7-Treffens in Kanada, an dem Sybiha teilnahm. Ein entschlossenes Vorgehen sei erforderlich, “damit die Unterstützung im Westen auch glaubwürdig bleiben kann”, betonte Wadephul. In Berlin sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius, gegebenenfalls müssten aus dem Fall Konsequenzen gezogen werden. Ein Sprecher des Entwicklungshilfeministeriums betonte aber, es lägen keine Erkenntnisse vor, wonach deutsche Hilfsgelder betroffen seien.
“ILLEGALE ZUWENDUNGEN”
Korruptionsvorwürfe im Energiesektor sind in der ukrainischen Öffentlichkeit besonders heikel. Weite Teile des Landes sind wegen der massiven russischen Angriffe auf die Infrastruktur mit täglichen, stundenlangen Stromausfällen konfrontiert, noch bevor die kalten Wintermonate begonnen haben. Die ukrainische Anti-Korruptionsbehörde Nabu hatte die Ermittlungen gegen Mitarbeiter des staatlichen Atomkonzerns Energoatom am Montag öffentlich gemacht.
Nabu sprach von einer “hochrangigen kriminellen Vereinigung”, zu der auch ein ehemaliger Berater des Energieministers, der Sicherheitschef von Energoatom und vier weitere Mitarbeiter gehören. “Der Berater des Ministers und der Sicherheitsdirektor von Energoatom übernahmen die Kontrolle über alle Einkäufe des Unternehmens und schufen Bedingungen, unter denen alle Auftragnehmer von Energoatom illegale Zuwendungen zahlen mussten”, sagte Nabu-Chefermittler Olexandr Abakumow.
Die Bekämpfung der Korruption und die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit sind zentrale Voraussetzungen für den von der Regierung in Kiew angestrebten EU-Beitritt. Dieser wird von den Ukrainern als entscheidend für die Zukunft des Landes im Abwehrkampf gegen die russische Invasion angesehen. Im Juli 2025 hatten Proteste und internationale Kritik Präsident Wolodymyr Selenskyj gezwungen, die Unabhängigkeit der beiden wichtigsten Anti-Korruptionsbehörden des Landes wiederherzustellen. Zuvor hatte die Regierung versucht, deren Befugnisse einzuschränken. Politische Gegner werfen Selenskyj vor, die Arbeit der Anti-Korruptionsbehörden behindern zu wollen, um Vertraute zu schützen, was dieser entschieden bestreitet.
(Mitarbeit Anastasiia Malenko in Kiew, Andreas Rinke in Berlin; Redigiert von; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)











