Frankfurt (Reuters) – Bayer stellt sich im Kampf gegen die Glyphosat-Klagewelle in den USA auf eine entscheidende Etappe ein und legt dafür erneut einen Milliardenbetrag zurück.
“Insgesamt stehen wir jetzt vor einer wichtigen und sehr dynamischen Phase”, sagte Konzernchef Bill Anderson am Mittwoch bei der Veröffentlichung der Quartalsbilanz. Dies spiegele sich auch in den erhöhten Rückstellungen wider. Das Unternehmen rechnet nun mit Sonderbelastungen von 3,5 bis 4,0 Milliarden Euro im laufenden Jahr, nach bislang 2,5 bis 3,5 Milliarden. Grund dafür sind neue Vergleiche bei Glyphosat-Klagen sowie ein negatives Urteil im Rechtsstreit um die Chemikalie PCB. Die Aussicht auf Vergleiche erhöhe die Zahl der Fälle, was wiederum zu höheren Rückstellungen führe. “Da wir mit unseren Eindämmungsmaßnahmen vorankommen, wird das wohl auch so weitergehen.”
Anderson zeigte sich zuversichtlich, die Rechtsrisiken wie geplant bis Ende 2026 erheblich einzudämmen. “Wir sind überzeugt, dass unsere mehrgleisige Strategie die richtige ist.” Im Fokus steht nun die erwartete Empfehlung des obersten Regierungsanwalts der USA, ob der Supreme Court einen Glyphosat-Fall des Konzerns annehmen soll. Dies sei eine “wichtige Entscheidung”, für deren mögliche Ergebnisse man vorbereitet sei. Bayer erhofft sich davon Rechtssicherheit, um künftige Klagen zu verhindern.
Die gesamten Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten bezifferte Finanzchef Wolfgang Nickl auf rund 7,8 Milliarden Euro, davon knapp sieben Milliarden für Glyphosat. Bereits im Sommer hatte Bayer zusätzliche Rückstellungen von rund 1,7 Milliarden Euro gebildet. Die Zahl der offenen Glyphosat-Klagen in den USA stieg zuletzt auf 65.000 von zuvor 61.000 Fällen. Die Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Herbizids hatte sich Bayer 2018 mit dem Kauf des Glyphosat-Entwicklers Monsanto ins Haus geholt. Rund zehn Milliarden Dollar hat Bayer für die Beilegung von Klagen schon gezahlt.
QUARTALSERGEBNIS ÜBERRASCHT POSITIV
Die erneuten Rückstellungen drückten Bayer im Sommerquartal in die Verlustzone. Unter dem Strich stand ein Minus von 963 Millionen Euro. Im Vorjahreszeitraum hatte der Konzern wegen massiver Wertminderungen im Agrargeschäft noch einen Verlust von 4,18 Milliarden ausgewiesen. Operativ überraschte Bayer jedoch; die Aktien gehörten daraufhin mit einem Plus von fast fünf Prozent zu den größten Dax-Gewinnern. Der bereinigte operative Gewinn (Ebitda) stieg im dritten Quartal um 20,8 Prozent auf 1,511 Milliarden Euro und übertraf damit deutlich die Analystenerwartungen. Dazu trugen vor allem niedrigere Herstellungskosten und Einsparungen im Agrargeschäft bei.
Das Ergebnis im Pharmageschäft sank dagegen, unter anderem wegen höherer Ausgaben für Forschung und Entwicklung, negativer Währungseffekte sowie Preisdruck bei Blockbustern wie dem Gerinnungshemmer Xarelto und dem Augenmedikament Eylea. Der Konzernumsatz sank im Quartal um drei Prozent auf 9,66 Milliarden Euro, währungsbereinigt ergab sich ein Plus von 0,9 Prozent.
Anderson bekräftigte die strategische Neuausrichtung und die im Juli angehobene währungsbereinigte Prognose. “Unser Unternehmen wird immer schlanker, effizienter, schneller und fokussierter.” Weltweit seien bislang rund 13.500 Stellen abgebaut worden. Rund 20 Prozent der zuletzt rund 88.500 Mitarbeiter sind in Deutschland beschäftigt. Der Vorstand werde mit den Kürzungen so lange weitermachen, wie es nötig sei, um “das schnellste und innovativste Life-Science-Unternehmen der Welt zu werden”. Die bedeutendsten Einschnitte seien jedoch schon erfolgt.
Für 2025 rechnet Bayer unverändert mit einem Umsatz von 46 bis 48 Milliarden Euro sowie einem bereinigten operativen Gewinn von 9,7 bis 10,2 Milliarden. Für das Geschäft mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten senkte das Unternehmen jedoch die Umsatzprognose und verwies auf ein schwierigeres Marktumfeld. Für 2026 erwartet Bayer Wachstum durch neue Medikamente, zugleich aber Gegenwind durch Umsatzrückgänge bei etablierten Produkten sowie Währungs- und Handelseffekte. Man beobachte die Handelsbeziehungen zwischen den USA und China sowie die Debatte um US-Zölle auf Medikamente aus der EU genau, sagte Finanzchef Nickl. Zwar gebe es nach Preisvereinbarungen einzelner Unternehmen mehr Klarheit, es blieben aber Fragen zu branchenweiten Zöllen offen. Einen detaillierten Ausblick will der Konzern im Februar geben.
(Bericht von Patricia Weiß, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)










