Auftragsbestand in Chemieindustrie niedrig wie seit über 30 Jahren nicht mehr

Berlin (Reuters) – Die Stimmung in der deutschen Chemieindustrie hat sich im Oktober auch wegen des dünnsten Auftragspolsters seit mehr als 30 Jahren deutlich verschlechtert.

Das Barometer für das Geschäftsklima fiel auf minus 19,4 Punkte, von minus 12,0 Zählern im September, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage mitteilte. Ein Grund dafür: Die Bewertung des Auftragsbestands fiel mit minus 68,9 Punkten auf den tiefsten Wert seit mehr als drei Jahrzehnten. “Die Kombination aus mangelnder Wettbewerbsfähigkeit, sinkenden Verkaufspreisen bei gleichzeitig hohen Kosten und schwachen Aufträgen zwingt die Betriebe, Investitionen zu drosseln und Personal weiter abzubauen”, sagte Ifo-Branchenexpertin Anna Wolf.

Die Unternehmen blicken deutlich pessimistischer in die Zukunft: Das Barometer für die Geschäftsaussichten in den kommenden Monaten sank von minus 3,7 auf minus 13,3 Punkte. Auch die aktuelle Lage bewerten sie deutlich negativer: Hier rutschte der Wert von minus 19,8 auf minus 25,3 Punkte ab. “Die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung reichen in der aktuellen Konjunkturlage nicht aus, um eine Trendwende einzuleiten”, sagte Wolf.

Durch den gestiegenen Wettbewerbsdruck aus dem Ausland seien viele Betriebe dazu gezwungen, ihre Preise zu senken: Der Indikator für die Preispläne drehte kräftig ins Minus, teilte das Ifo-Institut mit. Gleichzeitig bleibe die Auftragslage sehr schwach. Auch aus dem Ausland erwarten die Unternehmen keine positiven Impulse. Die Kapazitätsauslastung sank auf 71 Prozent und liegt damit deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre von 81 Prozent.

Die Chemiebranche pocht zur Entlastung auf einen schnellen Bürokratieabbau. “Der Bürokratieinfarkt ist nahe”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands VCI, Wolfgang Große Entrup, vorige Woche. Die Wirtschaft verliere deswegen die Geduld. Es gebe zu viele Formulare, Nachweispflichten und Absurditäten. “Die Regulierungsflut aus Berlin und Brüssel ist für unsere Branche das Schlimmste am Standort – noch vor Energiepreisen und Steuern.”

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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