Frankfurt (Reuters) – Der Kölner Spezialchemiekonzern Lanxess verschärft angesichts der anhaltenden Branchenkrise seinen Sparkurs.
“Die chemische Industrie befindet sich gegenwärtig in einer der schwersten Krisen, die ich in den letzten 30 Jahren gesehen habe”, sagte Vorstandschef Matthias Zachert am Donnerstag in einer Telefonkonferenz anlässlich der Quartalsbilanz. “Wir sind nicht mehr zehn vor zwölf in der Industrie, wir haben nach zwölf.” Die Deindustrialisierung in energieintensiven Bereichen sei bereits im Gange. “Das sind Schließungen von Betrieben, die nicht mehr wiederkommen werden.” Wegen der schwachen Nachfrage kündigte Lanxess ein weiteres Sparprogramm über rund 100 Millionen Euro an und präzisierte seine Jahresprognose auf das untere Ende der erwarteten Spanne.
Für die nähere Zukunft zeigte sich Zachert, der seit mehr als elf Jahren an der Spitze des Unternehmens steht, pessimistisch: “Derzeit sehen wir kein Licht am Ende des Tunnels und gehen davon aus, dass sich diese Lage noch weit ins nächste Jahr ziehen wird.” Zachert übte scharfe Kritik an den politischen Rahmenbedingungen. “Berlin und Brüssel müssen viel schneller und entschiedener unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken, sonst sind hier ganze Wertschöpfungsketten in Gefahr.” Die Branche leide unter Auflagen und Bürokratiekosten.
Mit Blick auf den europäischen Emissionshandel, bei dem Industrieunternehmen wegen des schrittweisen Wegfalls kostenloser CO2-Zertifikate milliardenschwere Zusatzkosten befürchten, forderte Zachert “drastische Reformen”. Wenn sich die Politik darauf nicht einigen könne, “dann bitte schafft dieses System ab”. Andernfalls würden klimafreundlich produzierende Anlagen in Europa geschlossen, während die Produktion in Länder mit niedrigeren Umweltstandards abwandere.
Als weitere Belastung nannte Zachert den “brutalen Wettbewerb aus China”. “Wir sehen, dass in Europa – in vielen Industrien, aber auch in unserer – eine Überflutung von Produkten eingetreten ist.” Nachdem China weniger in die USA geliefert habe, seien die Waren nun verstärkt in Europa abgesetzt worden. Teilweise würden chinesische Wettbewerber ihre Ware in Europa zu Preisen liefern, “die unter unseren Herstellkosten liegen”. Dies sei ein “ganz klarer Fall, bei dem Antidumping zu analysieren und zu entscheiden ist”.
Als Folge der Krise rechnet Zachert mit einer Konsolidierung in der Branche. “Wenn ich mir die letzten 30 Jahre anschaue, gab es unterschiedliche Konsolidierungswellen in unserer Industrie und das war immer in Zeiten nach einer schweren Krise der Fall”, sagte er. Die Industrie habe stets innovative Wege gefunden. Dies müssten nicht immer reine Akquisitionen sein, sondern es gebe auf einer “breiten Klaviatur” zahlreiche Möglichkeiten wie Zusammenschlüsse oder Joint Ventures. Der Prozess habe bereits begonnen: “Die Marktkonsolidierung startet nun. Wir sehen auch, dass Wettbewerber ihre Kapazitäten runterfahren oder stilllegen und das stärkt natürlich dann die eigene Position im Markt.”
Trotz der düsteren Einschätzung nannte Zachert auch “Lichtblicke”. So werde die Unsicherheit durch die US-Zollpolitik zwar bleiben, aber nicht mehr in der Heftigkeit wie 2025. Zudem erwarte er, dass sich das von der Bundesregierung aufgelegte Sondervermögen für Infrastruktur und Verteidigung im Laufe des kommenden Jahres in den Auftragsbüchern der Industrie niederschlagen werde.
KRISE ERZWINGT NEUEN SPARKURS
Das nun angekündigte Sparpaket über 100 Millionen Euro soll vor allem bei den Gemeinkosten, etwa im IT-Bereich, ansetzen. Details sollen im ersten Quartal 2026 folgen. “Mein erklärtes Ziel ist ganz klar, für die Werke zu kämpfen”, sagte Zachert. Derzeit gehe er davon aus, dass Lanxess alle Werke in Deutschland beibehalten werde. Stellenstreichungen schloss er jedoch nicht aus. “Wir werden viel über Fluktuation machen (…), aber eben nicht alles.” Zuletzt beschäftigte Lanxess weltweit knapp 11.800 Menschen.
Die nun angekündigten Einsparungen kommen zu bereits laufenden Programmen hinzu. Ein 2023 gestarteter Aktionsplan soll ab Ende 2025 dauerhaft rund 150 Millionen Euro jährlich einsparen. Zudem sollen Verbesserungen im Produktionsnetzwerk ab Ende 2027 weitere 50 Millionen Euro pro Jahr bringen.
Im dritten Quartal brach das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) von Lanxess um rund 28 Prozent auf 125 Millionen Euro ein. Der Umsatz sank um mehr als 16 Prozent auf 1,34 Milliarden Euro und bewegte sich damit deutlich unter den Analystenerwartungen. Dies lag neben der schwachen Nachfrage auch am Verkauf eines Geschäftsbereichs sowie an negativen Währungseffekten. Für das Gesamtjahr 2025 rechnet Lanxess nun mit einem operativen Ergebnis am unteren Ende der im Sommer auf 520 bis 580 (Vorjahr: 614) Millionen Euro gesenkten Spanne.
(Bericht von Patricia Weiß, redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)











