– von Kate Abnett
Brüssel (Reuters) – Die Europäische Union (EU) hat sich kurz vor dem Weltklimagipfel auf ein verbindliches Klimaziel für 2040 geeinigt, dieses aber in letzter Minute abgeschwächt.
Die Umweltminister der Mitgliedstaaten beschlossen am Mittwoch in Brüssel einen in der Nacht nach mehr als 18-stündigen Verhandlungen erzielten Kompromiss. Demnach soll der Ausstoß von Treibhausgasen um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Davon können jedoch bis zu fünf Prozentpunkte durch den Kauf von Klimazertifikaten in Drittstaaten erbracht werden. Damit müssten die Emissionen in der EU faktisch nur um 85 Prozent verringert werden. Zudem einigten sich die Minister auf ein Zwischenziel für 2035, das eine Emissionsminderung in einer Spanne von 66,25 bis 72,5 Prozent vorsieht. Der Start des neuen Emissionshandels für Verkehr und Gebäude (ETS2) wird um ein Jahr auf 2028 verschoben.
Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) begrüßte den Beschluss als “wichtigen Fortschritt für das Klima”. Die Einigung sei eine gute Nachricht für die deutsche Wirtschaft, da es nun gleiche Wettbewerbsbedingungen gebe.
Dem Beschluss waren monatelange Verhandlungen vorausgegangen. Ursprünglich hatte die EU-Kommission eine Senkung um 90 Prozent mit einem Anteil von maximal drei Prozent an Zertifikaten aus Drittstaaten vorgeschlagen. Das Ziel soll die Lücke zwischen den bereits gesetzlich verankerten EU-Zielen für 2030 (minus 55 Prozent) und 2050 (Null-Emissionen) schließen. Dafür hatte sich zu Beginn der Beratungen auch Schneider eingesetzt. Länder wie Polen, Ungarn und die Slowakei stimmten am Ende gegen den Kompromiss, konnten die für einen Beschluss nötige qualifizierte Mehrheit jedoch nicht verhindern.
EINIGUNG KURZ VOR DER WELTKLIMAKONFERENZ
Die EU stand unter Zeitdruck, um nicht mit leeren Händen zum Weltklimagipfel COP30 in Brasilien zu reisen. Dort wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstag mit anderen Staats- und Regierungschefs zusammentreffen. Der Gipfel zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Belem gilt auch als Test für die Entschlossenheit der großen Volkswirtschaften, den Kampf gegen den Klimawandel angesichts des Widerstands von US-Präsident Donald Trump fortzusetzen. “Wir haben viel zu verlieren. Wir riskieren unsere internationale Führungsrolle”, hatte die spanische Umweltministerin Sara Aagesen gesagt.
Die Abschwächung des Klimaziels geht auf die Bedenken einiger Länder zurück, dass höhere Investitionen in Klimaschutz Wirtschaft und Verbraucher überforderten. Zudem gibt es angesichts des Ukraine-Kriegs neue Prioritäten wie den Hochlauf der Verteidigungsausgaben, während Billigimporte aus China und die US-Zollpolitik die Wirtschaft belasten.
AAGAARD: WAHREN WETTBEWERBSFÄHIGKEIT UND SOZIALES
“Die Festlegung eines Klimaziels ist nicht nur die Wahl einer Zahl, sondern eine politische Entscheidung mit weitreichenden Folgen”, begründete der dänische Klimaminister und Ratsvorsitzende Lars Aagaard den Kompromiss. Man habe daher darauf hingearbeitet, dass Wettbewerbsfähigkeit und soziales Gleichgewicht bewahrt würden. Frankreich und Portugal hatten eine Erhöhung der Zertifikats-Option auf fünf Prozentpunkte gefordert, Polen und Italien verlangten zehn Prozentpunkte.
Um Kritiker ambitionierter Klimaziele ins Boot zu holen, wurde auch der neue EU-Emissionshandel ETS2 um ein Jahr auf 2028 verschoben. Polen und Tschechien befürchteten durch den geplanten neuen Handel für CO2-Verschmutzungsrechte in den Bereichen Verkehr und Gebäuden höhere Kraftstoffpreise.
Klimawissenschaftler hatten gewarnt, der Kauf ausländischer CO2-Zertifikate ziehe dringend benötigte Investitionen von der europäischen Industrie ab. Auch die Vereinten Nationen (UN) sehen stärkeren Handlungsbedarf. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Studie ihres Umweltprogramms UNEP wird die Welt das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ohnehin verfehlen. Die Schwelle werde bereits im nächsten Jahrzehnt zumindest vorübergehend gerissen. Bereits das Überschreiten der Marke dürfte laut Wissenschaftlern zu stärkeren Hitzewellen, Dürren und Waldbränden führen.
(Bericht von Kate Abnett, Inti Landauro, Benoit Van Overstraeten. Geschrieben von Holger Hansen, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)










