Berlin (Reuters) – Die schwarz-rote Koalition ringt weiter um die Frage, wie schnell und welche syrischen Flüchtlinge Deutschland verlassen sollen.
Mehrere Unionspolitiker betonten am Dienstag, dass es in einem ersten Schritt um die Abschiebung von syrischen Straftätern in ihre Heimat gehen müsse. In einem zweiten Schritt will CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn dann aber auch Personen zurückschicken, die nur einen subsidiären Schutz genießen, der nach Ende des Bürgerkriegs erlösche. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann sagte, dass man Rückführungen von “arbeitsfähigen Syrern” wolle, die in Deutschland keiner Beschäftigung nachgingen. “Mehr als 500.000 Syrer beziehen aktuell in Deutschland Bürgergeld”, sagte er. Das schließt aber rund 150.000 Kinder mit ein. Erst auf Nachfrage betonten mehrere CDU-Politiker, dass Syrer, die bereits die deutsche Staatsbürgerschaft oder einen dauerhaften Aufenthaltstitel haben, das Land nicht verlassen müssten. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte am Montagabend gesagt, dass man diejenigen, die nicht freiwillig in ihre Heimat zurückkehrten, abschieben könne.
Die Debatte über den Umgang mit den rund eine Million Syrern, die im Bürgerkrieg nach Deutschland gekommen sind, brach vergangene Woche in CDU und CSU los, als Außenminister Johann Wadephul die syrische Hauptstadt Damaskus besuchte. Er hatte dort mit der neuen syrischen Führung auch über Rückführungen, also Abschiebungen von Straftätern und Menschen mit Ausreiseverfügungen, gesprochen. Der CDU-Politiker hatte jedoch angesichts der sehr starken Zerstörungen gesagt, dass er keine sehr schnelle freiwillige Rückkehr vieler Flüchtlinge erwarte. Danach hatten vor allem Unions-Innenpolitiker Wadephul scharf kritisiert.
Am Montag hatte das Innenministerium mitgeteilt, dass sich im August 2025 951.406 Menschen aus Syrien in Deutschland befanden. Davon sind aber nur 920 ausreisepflichtig ohne Duldungsstatus. Darüber hinaus gebe es 9780 ausreisepflichtige Personen, die einen Duldungsstatus hätten.
Wadephul, der am Dienstagnachmittag in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion seine Position erklären musste, betonte am Morgen, dass auch er die Zahl der Rückführungen erhöhen wolle. Dies gelte vorrangig für Straftäter und sogenannte Gefährder – dafür sind die Innenbehörden von Bund und Ländern zuständig. Generell würden die Syrerinnen und Syrer dafür gebraucht, das von dem jahrelangen Bürgerkrieg zerstörte Land wieder aufzubauen. Daher müssten die Menschen ermutigt werden, freiwillig nach Syrien zurückzukehren. Er verwies darauf, dass dies allerdings in einigen Gegenden wie etwa dem völlig zerstörten Aleppo eine Weile dauern könne. “Solange das so der Fall ist, wird es schwer sein, dort wieder ein, wie ich es ja auch vor Ort gesagt habe, menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.”
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch verteidigte die Position des CDU-Außenministers, forderte aber ein neues Lagebild des Außenamtes zu Syrien ein. Bei der Frage, wer das Land verlassen müsse, gelte: “Es zählt der Status, es zählt dann die Lage vor Ort. Und dazu hat der Bundesaußenminister jetzt eine Lagebeschreibung abgegeben, die er sicherlich nicht ohne Grund angenommen hat”, betonte Miersch.
WELCHE GRUPPEN BLEIBEN KÖNNEN SOLLEN
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger, verwies darauf, dass es “sicherlich Volksgruppen (gebe), die in Syrien zurzeit nach wie vor gefährdet sind, die Alawiten oder auch die Christen.” Wer in Deutschland gut integriert sei, dessen Kinder zur Schule gingen “und die hier eine neue Heimat gefunden haben, die auch hier bleiben werden. Und da gibt es ja auch viele, über die wir uns sehr freuen, weil sie hier einen guten Beitrag leisten”, sagte Bilger.
“Wer mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hat, weil er sich gut integriert hat, kann und soll natürlich bleiben”, sagte auch Unions-Fraktionschef Spahn auf Nachfrage. “Wer einen dauerhaften Aufenthaltstitel hat erwerben können durch gute Integration, durch Arbeitsaufnahme, durch Erlernen der Sprache, soll diesen natürlich behalten können.” Was genau die Kriterien sind, blieb am Dienstag offen. Spahn verwies aber darauf, dass syrische Ärztinnen und Ärzte auch in Syrien selbst gebraucht würden. Angesichts des Fachkräftemangels ringen derzeit viele Firmen in Deutschland um Arbeitskräfte. Derzeit sind rund 250.000 Syrer sozialversicherungspflichtig in Deutschland beschäftigt.
(Bericht von Andreas Rinke, Alexander Ratz. Redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)










