Europas Börsen lassen Federn – Bilanzen belasten

Frankfurt (Reuters) – Ein Schritt vor, zwei zurück: Nach dem freundlichen Start in den Börsenmonat November geben die europäischen Aktienmärkte am Dienstag kräftig nach. Der deutsche Leitindex Dax rutschte in der Spitze knapp zwei Prozent auf 23.675 Punkte ab. Der EuroStoxx50 fiel ähnlich stark auf 5577 Zähler. Händler verwiesen auf eine zunehmende Risikoscheu an den globalen Finanzmärkten. Zudem belasteten eine durchwachsene Bilanzsaison und nachlassende Wetten auf eine weitere Zinssenkung der US-Notenbank Fed.

“Die Aussicht auf eine möglicherweise ausbleibende Zinssenkung im Dezember verschreckt die Anleger an den Börsen”, kommentierte IG-Analyst Christian Henke. Fed-Chef Jerome Powell hatte angesichts der weiterhin hohen Inflation bereits vorsichtige Töne angeschlagen. “Und diese Vorsicht scheint nun bei den Anlegern angekommen zu sein.” Divergierende Ansichten von Fed-Vertretern verunsicherten Investoren weiter. “Ich kann mich nicht erinnern, dass es in all den Jahren, in denen ich diese Märkte beobachte, jemals eine so große öffentliche Meinungsverschiedenheit unter den Fed-Politikern über die politischen Aussichten gegeben hat”, sagte Shaun Osborne, Stratege bei der Scotiabank.

QUO VADIS AMERIKA?

Die anhaltende Haushaltssperre in den Vereinigten Staaten (“Shutdown”) und der damit verbundene Mangel an offiziellen Wirtschaftsdaten trübten den Ausblick auf mögliche Zinssenkungen durch die Fed weiter ein. Private Anbieter von Konjunkturdaten finden unterdessen mehr Gehör: Zum Wochenauftakt zeichneten die Berichte der US-Hersteller in einer privaten Umfrage des Institute for Supply Management ein düsteres Bild des Fabriksektors. Sie zeigten, dass das verarbeitende Gewerbe in den USA im Oktober den achten Monat in Folge schrumpfte, da die Auftragseingänge gedämpft blieben.

TECH-RALLY PAUSIERT

Nach den starken Kursgewinnen im Technologiesektor nahmen Investoren Gewinne mit. Anleger fragen sich zunehmend, ob die massiven KI-Investitionen der großen Techkonzerne angemessene Renditen abwerfen werden. Kasse machten Investoren etwa beim US-Datenspezialisten Palantir. Nach einer überraschend starken Umsatzprognose und einem Rekordhoch verbilligte sich die Aktie im vorbörslichen US-Handel um knapp acht Prozent. Auch die in Frankfurt notierten Aktien verloren rund fünf Prozent. Die von Tech-Milliardär Peter Thiel mitgegründete Firma hatte am Vortag für das Schlussquartal einen Umsatz vorhergesagt, der über den Erwartungen von Analysten lag, und die Umsatzprognose für 2025 erhöht.

Unterdessen konnte der Dialysekonzern Fresenius Medical Care (FMC) auch mit überraschend starken Zahlen nicht an der Frankfurter Börse punkten. Die Anteilsscheine führten mit einem Minus von mehr als sechs Prozent die Verliererliste im Dax an. Grund dafür ist nach Einschätzung von JP Morgan die anhaltende Sorge der Anleger über einen weiteren Aktienverkauf durch den Hauptaktionär Fresenius.

Die Aktien von Edenred brachen in Paris um zehn Prozent ein, nachdem der Gutschein-Anbieter eine Verlangsamung des Gewinnwachstums für 2026 in Aussicht gestellt hatte. Auch Telefonica stürzten um zehn Prozent ab, nachdem der spanische Telekomkonzern eine Halbierung der Dividende angekündigt hatte.

Dagegen griffen Investoren beim Chiphersteller Elmos Semiconductor zu. Die Titel zogen zeitweise um 11,8 Prozent an und waren auf Kurs zum größten Tagesplus seit rund einem Jahr. Der Leverkusener Halbleiterhersteller bekräftigte trotz rückläufiger Geschäfte im dritten Quartal seine Jahresprognose und hob das Ziel für den freien Barmittelzufluss an.

(Bericht von Stefanie Geiger, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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