Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung versucht den aufflammenden Streit über die Rückkehr syrischer Flüchtlinge zu beruhigen.
Es gebe “inhaltlich überhaupt keinen Dissens und auch keinen Widerspruch” in der Bundesregierung, betonte der Vize-Regierungssprecher Steffen Meyer am Montag in Berlin. Man wolle mithelfen, die Situation in Syrien und der Region zu stabilisieren und “gleichzeitig” vorzubereiten, “wenn es rechtlich möglich ist”, Rückführungen insbesondere von Straftätern wieder möglich zu machen. “Daran arbeitet die Bundesregierung gemeinsam”, sagte er mit Blick auf das Außen- und Innenministerium, die beide in der Hand der Union sind. Der SPD-Innenexperte Sebastian Fiedler betonte, viele Syrer seien bereits integriert und teils eingebürgert und täten Dienst für das Land. Wer ausreisepflichtig oder sogar Straftäter sei, für den gelte dasselbe wie für Menschen aus anderen Ländern, sagte er Reuters.
Ausgelöst hatte die Debatte Außenminister Johann Wadephul bei einem Besuch in Syrien. Nach der Besichtigung eines vom Bürgerkrieg zerstörten Vorortes von Damaskus hatte er gesagt, dort könnten Menschen kaum würdig leben. Zu Rückführungen einzelner schwerer Straftäter sei man aber in Kontakt mit der syrischen Regierung. Wer sich in Deutschland in die Gesellschaft einfüge und integriere, sei aber willkommen. Die Aussagen hatten vor allem in der CSU für Ärger gesorgt und wurden teils als Ankündigung gewertet, Rückführungen zunächst nicht weiter zu verfolgen.
Ein Sprecher des Außenministeriums erklärte, es gebe einen entscheidenden Unterschied zwischen Rückführungen und einer freiwilligen Rückkehr von Syrern. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte am Montag auf einer Kommunaltagung in Mannheim, man sei dabei, Rückführungen nach Syrien vorzubereiten. Die Basis dafür sei der Koalitionsvertrag. Dobrindt verwies darauf, dass es bereits Abschiebungen nach Afghanistan für Straftäter gebe. Nun sollten solche Flüge auch nach Syrien folgen. “Das ist der Auftrag, der sich aus dem Koalitionsvertrag ergibt”, sagte Dobrindt. “Und dieser Auftrag wird von mir entsprechend umgesetzt.” Das unterstütze man, betonte auch ein Sprecher des Außenamtes.
Verschiedene CSU- und CDU-Politiker hatten aber Aussagen von Außenminister Wadephul (CDU) bei dessen Syrien-Besuch kritisiert, dass eine schnelle freiwillige Rückkehr einer großen Zahl syrischer Flüchtlinge aus Deutschland angesichts der Zerstörungen im Land kaum möglich sei.
SPD-Experte Fiedler betonte mit Blick auf ausreisepflichtige Syrer, hier müsse genau hingeguckt werden: “Hierzu gehört, dass in jedem Einzelfall geprüft wird, ob eine Rückkehr in das Herkunftsland gefahrlos möglich ist.” Nur dann könne eine sichere Rückführung stattfinden. “In Bezug auf Syrien werden wir dazu beitragen, dass diese Voraussetzungen schnellstmöglich erfüllt sind”, ergänzte er.
Vor allem die CSU, die im Wahlkampf in Konkurrenz zur AfD einen harten Asylkurs versprochen hatte, fühlte sich dadurch provoziert. Auch Kanzleramtschef Thorsten Frei sprach sich im Deutschlandfunk für eine schrittweise Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihr Heimatland aus. “Junge Männer arabischer Herkunft, sunnitischer Konfessionszugehörigkeit” unterlägen in Syrien “ganz sicherlich keiner Gefährdung und auch keiner Verelendungsgefahr”, sagte der frühere CDU-Innenpolitiker. Er verwies darauf, dass das dem Innenministerium unterstellte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seit Sommer wieder Asylanträge prüfe. Zuvor hatten syrische Flüchtlinge generell einen Schutzstatus erhalten. Das Vorgehen von Dobrindt sei “absolut richtig” und sei im Übrigen von sämtlichen Verwaltungsgerichten in Deutschland bestätigt.
Der zahlenmäßige Unterschied zwischen einer freiwilligen und einer staatlich erzwungenen Rückkehr ist sehr groß. 2025 hätten sich 951.406 Menschen aus Syrien in Deutschland befunden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Montag. Davon sind aber nur 920 ausreisepflichtig ohne Duldungsstatus. Darüber hinaus gebe es 9780 ausreisepflichtige Personen, die aber einen Duldungsstatus hätten. Die Bundesregierung will zunächst Straftäter abschieben und dann schrittweise die anderen Personen zurückführen.
Die Bundesregierung betonte am Montag, dass man bei dem Verbot sogenannter Schnupperreisen bleibe, bei denen Flüchtlinge zunächst die Lage in ihren Heimatorten erkunden können. Diese Praxis gibt es etwa in der Türkei, die deutlich mehr als drei Millionen syrischer Flüchtlinge aufgenommen hatte. Von dort sind mittlerweile mehrere Hunderttausend Syrer freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt. “Davon halte ich überhaupt nichts”, betonte aber Kanzleramtschef Frei zu den “Schnupperreisen”. “Denn die Frage, ob jemand Schutz in Deutschland bekommt, muss sich ja daran orientieren, ob es eine Verfolgung im Herkunftsland gibt.”
(Bericht von Andreas Rinke, Markus Wacket; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)











