Berlin/Wien (Reuters) – In der Europäischen Zentralbank sind die Währungshüter offenbar uneins bei ihren Überlegungen zum weiteren geldpolitischen Kurs.
Der österreichische Notenbankchef Martin Kocher berichtete am Montag in Wien über zwei Lager: “Es ist kein Geheimnis, dass es einige Mitglieder des EZB-Rats gibt, die sich noch vorstellen können, einen Zinsschritt zu machen, sollten die Daten das im Dezember hergeben.” Andere glaubten hingegen, das Ende des Zinssenkungszyklus sei erreicht. Kocher betonte, eine Entscheidung werde auf Basis der Daten gefällt: “Und ich bin mir sicher, wir werden dann so viel Klarheit haben, dass die Entscheidung auch gar nicht so schwierig sein wird.”
EZB-Ratsmitglied Peter Kazimir ist dafür, geldpolitisch alle Optionen offenzuhalten. “Das heißt, unser nächster Schritt – wenn er denn kommt – kann prinzipiell in beide Richtungen gehen, je nachdem, welche Signale wir erhalten”, erklärte der slowakische Notenbankchef. “Ein Autopilot” für den Zinskurs komme nicht infrage. Zugleich gelte es, wachsam zu bleiben – und zwar mit Blick auf Risiken bei Abweichungen vom Inflationsziel der Notenbank von 2,0 Prozent nach oben oder auch nach unten. Man müsse bereit sein zu reagieren, wenn eingehende Daten darauf hindeuteten, dass sich solche Risiken verstärkten. Kazimir ist zugleich gegen einen Ansatz, die Inflationsdynamik mit Feinjustierungen bis hin zur Perfektion zu steuern.
INFLATIONSPROGNOSEN IM FOKUS
“Durch übermäßige Präzision könnte die Zentralbank selbst zu einer Quelle der Volatilität werden, anstatt die Stabilität zu gewährleisten, die unsere Wirtschaft benötigt”, mahnte Kazimir. Wie Reuters jüngst von Insidern erfuhr, könnten die im Dezember anstehenden Inflationsprojektionen der EZB intern zum Anlass genommen werden, über das Thema Zinssenkung zu sprechen. Die EZB wird im Dezember Prognosen veröffentlichen, die bis ins Jahr 2028 reichen. In der Projektion vom September war für 2027 eine Inflationsrate von 1,9 Prozent veranschlagt worden, womit das Ziel der Notenbank knapp unterschritten würde. Einige EZB-Ratsmitglieder sind laut den Insidern der Ansicht, dass klare Anzeichen für eine anhaltende Unterschreitung des Inflationsziels im Jahr 2028 eine Diskussion über eine Zinssenkung auf der Dezember-Sitzung rechtfertigen würden.
Der EZB-Rat beließ den Leitzins am Donnerstag zum dritten Mal in Folge unverändert bei 2,0 Prozent. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, aus geldpolitischer Sicht befinde man sich in einer guten Position. Diesen Ball nahm Kazimir nun auf und erklärte: “Wir befinden uns in einer guten Lage. Es ist nicht die Zeit und es besteht auch kein Bedarf für Feinjustierung oder übermäßige Optimierung.”
(Bericht von Reinhard Becker, Mitarbeit Balazs Koranyi, Francois Murphy, Alexandra Schwarz-Görlich, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)











