Berlin (Reuters) – Frauen sind in den deutschen Führungsetagen deutlich seltener zu finden als in anderen europäischen Ländern.
Im Jahr 2024 hatten rund 1,32 Millionen Männer in Deutschland eine Führungsposition inne, während nur 540.000 Frauen in Top-Positionen gezählt wurden, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Das entspricht einem Anteil von 29,1 Prozent. “Dieser Wert lag deutlich unter dem Durchschnitt der Europäischen Union (EU) von 35,2 Prozent”, lautet das Fazit des Bundesamtes.
Den Spitzenplatz im EU-Vergleich belegt demnach erneut Schweden mit einem Frauenanteil von 44,4 Prozent. Relativ hohe Quoten verzeichneten auch Lettland (43,4 Prozent) und Polen (41,8 Prozent). Das Schlusslicht bildet Zypern: Dort sind nur 25,3 Prozent der Führungskräfte weiblich.
Seit 2014 hat sich der Anteil der weiblichen Führungskräfte in Deutschland praktisch nicht verändert: Damals lag er mit 29,0 Prozent nur 0,1 Prozentpunkte niedriger als 2024 mit 29,1 Prozent. Im EU-Durchschnitt stieg der Anteil der Chefinnen dagegen in diesem Zeitraum um 3,4 Prozentpunkte. Besonders stark wuchs er in Schweden (+7,3 Prozentpunkte), Estland (+7,2) sowie in den Inselstaaten Zypern (+7,8) und Malta (+10,3).
“LEIDER NICHT ÜBERRASCHEND”
Die Entwicklung sei “besorgniserregend, aber angesichts der politischen Realität in Deutschland leider nicht überraschend”, sagte die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Bettina Kohlrausch. Frauen würden in ihren Karriereoptionen behindert, da Erwerbsarbeit extrem schwierig mit Sorgearbeit vereinbar sei. Diese werde immer noch überwiegend von Frauen geleistet. “Gegenwärtig gibt es keinerlei politische Diskussionen, geschweige denn Vorschläge, daran etwas zu ändern”, sagte Kohlrausch. Im Gegenteil würde die gerade debattierte Abschaffung der täglichen Arbeitszeitbegrenzung die Vereinbarkeit für Frauen erschweren und geschlechtsspezifische Muster der Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit eher forcieren. “Wir brauchen hingegen Arbeitszeitregelungen, die Planungssicherheit schaffen und die familiären Spielräume, Sorgearbeit fair zu verteilen, vergrößern”, forderte die Expertin.
Das Statistikamt wies noch auf einen weiteren Punkt hin: “Der geringe Anteil an Frauen in Leitungspositionen in Deutschland fällt besonders auf, da hier fast ebenso viele Frauen erwerbstätig sind wie Männer.” Ihr Anteil an allen Erwerbstätigen lag 2024 bei 46,9 Prozent und damit leicht über dem EU-Durchschnitt (46,4 Prozent). Demgegenüber war der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Italien mit 27,9 Prozent auf einem ähnlichen Niveau wie in Deutschland, allerdings bei einem niedrigeren Frauenanteil an allen Erwerbstätigen von 42,5 Prozent. In Österreich wiederum lag der Anteil der weiblich besetzten Top-Positionen mit 36,2 Prozent deutlich höher als in Deutschland bei einer ähnlichen Quote von Frauen an allen Erwerbstätigen (47,5 Prozent).
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)










