Berlin (Reuters) – In der deutschen Industrie mehren sich die Hinweise auf einen Chipmangel.
Mehr als jeder zehnte Hersteller von elektronischen und optischen Produkten klagte im Oktober darüber, wie das Münchner Ifo-Institut am Mittwoch zu seiner vierteljährlichen Auswertung mitteilte. 10,4 Prozent der Unternehmen meldeten Materialengpässe – nach 7,0 Prozent im Juli und 3,8 Prozent im April. “Der Chipmangel in der Industrie nimmt zu”, lautet daher das Fazit des Ifo-Instituts.
Dessen Umfragechef Klaus Wohlrabe sagte als Erklärung für die Entwicklung: “Die Kontrollmechanismen und Handelsbeschränkungen für Seltene Erden zeigen ihre Wirkung.” Die ohnehin angeschlagene deutsche Wirtschaft ist hier nahezu vollständig von Lieferungen aus China abhängig. Die Volksrepublik hat allerdings Ausfuhrbeschränkungen für die Rohstoffe verhängt, die etwa für die Elektronik- und Rüstungsindustrie wichtig sind. Ein anhaltender Mangel droht früher oder später auf die Konjunktur in Deutschland durchzuschlagen. “Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen und verschärfen, wird das auch das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen”, warnte Wohlrabe.
“HALBLEITER SIND ZUM MACHTFAKTOR GEWORDEN”
Die deutsche Wirtschaft wünscht sich einer Umfrage zufolge eine stärkere politische Förderung der Produktion von Halbleitern im eigenen Land. 55 Prozent der Unternehmen, in denen intensiv mit Chips gearbeitet wird, halten das für “äußerst wichtig”, wie aus der Umfrage im Auftrag des Digitalverbandes Bitkom hervorgeht. Weitere 41 Prozent halten dies für “eher wichtig”. Für 50 Prozent ist eine Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich Halbleiter “äußerst wichtig”, für weitere 45 Prozent “eher wichtig”. Befragt wurden mehr als 500 Unternehmen ab 20 Beschäftigten aus dem verarbeitenden Gewerbe, der Informationstechnologie und der Telekommunikation – also Branchen, in denen Halbleiter stark genutzt werden.
“Halbleiter sind zum geopolitischen Machtfaktor geworden”, sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. “Deutschland und Europa müssen gezielt eigene Halbleiterkompetenzen ausbauen, um ihre technologische und wirtschaftliche Handlungsfähigkeit zu sichern.” Die Befragung wurde von Juli bis September durchgeführt – also noch vor den aktuellen Lieferengpässen rund um das Unternehmen Nexperia, die etwa beim Autobauer Volkswagen zu Produktionsausfällen führen könnten.
MERCEDES-CHEF TRITT KRITIK ENTGEGEN
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sieht keine schnelle Besserung bei der Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Seltenen Erden. Vor allem bei den schweren Elementen “ist die Lage sehr kritisch”, sagte der Experte der Bundesbehörde, Harald Elsner, der Nachrichtenagentur Reuters. “Besonders betroffen sind Magnete, die teilweise auf diese schweren Elemente angewiesen sind.” Neue Bergbauprojekte etwa in Norwegen könnten künftig helfen, sagte Elsner, dessen Behörde die zentrale geowissenschaftliche Beratungseinrichtung der Bundesregierung ist und auch die Wirtschaft berät. “Aber es würde Jahre dauern, bis dort Seltene Erden gefördert und separiert werden können.”
Mercedes-Chef Ola Källenius trat Kritik entgegen, die Autoindustrie habe aus der Halbleiter-Krise während der Corona-Pandemie nichts gelernt. Knotenpunkte von speziellen Lieferanten wie Nexperia seien unvermeidlich in der global vernetzten Branche. “Solche Knotenpunkte wird es immer geben.” Deshalb müsse der Freihandel aufrechterhalten werden, “weil die Welt des baden-württembergischen Fürstentums als Selbstversorger wird es nicht geben, das ist auch nicht sinnvoll.”
Der Streit über den niederländischen Chip-Hersteller Nexperia hat die Automobilbranche in Schwierigkeiten gebracht. China hat die Ausfuhr von Nexperia-Produkten verboten, die in der Volksrepublik verkaufsfertig gemacht werden. Zuvor hatten die Niederlande die Kontrolle über das Unternehmen übernommen, dessen chinesischer Eigentümer Wingtech von den USA als mögliches nationales Sicherheitsrisiko eingestuft wurde.
(Bericht von Rene Wagner, Ilona Wissenbach, redigiert von Christian Götz Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)










