Georgische Führung will größte Oppositionsparteien verbieten lassen

Tiflis (Reuters) – In Georgien verschärft das pro-russische Regierungslager sein Vorgehen gegen die Opposition: Die Regierungspartei Georgischer Traum will die drei größten Oppositionsparteien verbieten lassen, wie Parlamentspräsident Schalwa Papuaschwili am Dienstag in Tiflis mitteilte.

Ein entsprechender Antrag sei beim Verfassungsgericht eingereicht worden. Er ziele auf ein Verbot der pro-westlichen Koalition für den Wandel, der Vereinten Nationalen Bewegung des ehemaligen Präsidenten Michail Saakaschwili und des Blocks Starkes Georgien. Alle drei Parteien stellten “eine echte Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung” dar, zitierte die georgische Nachrichtenagentur Interpress Papuaschwili. Die Opposition hingegen wirft der Regierung einen Abbau demokratischer Rechte und einen pro-russischen Kurs vor.

Der Verbotsantrag stützt sich auf die Ergebnisse einer parlamentarischen Untersuchungskommission zu angeblichem Fehlverhalten während Saakaschwilis Amtszeit, was Oppositionelle als Propaganda bezeichneten. Saakaschwili, der Georgien von 2003 bis 2012 als pro-westlicher Reformer regierte, ist in der Bevölkerung umstritten. Viele werfen ihm Unberechenbarkeit, einen autoritären Stil und die Verantwortung für einen Krieg mit Russland im Jahr 2008 vor. Er verbüßt derzeit eine Haftstrafe unter anderem wegen Amtsmissbrauchs.

Georgien gehörte einst zu den demokratischsten und pro-westlichsten Ländern, die aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion hervorgegangen sind. Doch hat die Regierung in Tiflis seit Beginn des Ukraine-Kriegs einen zunehmend autoritären Kurs eingeschlagen und zugleich die wirtschaftlichen Beziehungen zum benachbarten Russland vertieft. Mehrere führende Oppositionelle sind inhaftiert. Zudem wurden bei den seit über einem Jahr andauernden Protesten gegen die Regierung immer mehr Menschen festgenommen.

Anfang des Jahres hatte das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das das Verbot politischer Parteien erleichtert. Die Gespräche über einen Beitritt zur Europäischen Union hat der Georgische Traum ausgesetzt und der EU Umsturzpläne vorgeworfen. Die EU hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Regierungspartei erklärt, sie wolle der EU weiterhin beitreten, jedoch nur unter Wahrung des Friedens mit Russland und der traditionellen orthodox-christlichen Werte des Landes im Südkaukasus.

Auch die Spannungen in den Beziehungen zu Deutschland waren zuletzt gewachsen. Die Bundesregierung rief Mitte Oktober ihren Botschafter aus Tiflis zurück. Sie warf der georgischen Führung Hetze gegen die EU, Deutschland und auch den deutschen Botschafter persönlich vor.

(Bericht von Felix Light, geschrieben von Christian Götz, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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