Berlin und Peking betonen nach Reiseverschiebung Interesse an Kooperation

– von Andreas Rinke und Liz Lee

Berlin/Peking (Reuters) – China und die Bundesregierung haben nach der Verschiebung der Reise von Außenminister Johann Wadephul demonstrativ das gegenseitige Interesse an bilateralen Kontakten betont.

“China hat seine Beziehungen zu Deutschland immer aus einer strategischen und langfristigen Perspektive betrachtet und entwickelt”, sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Montag in Peking. Sprecher der Bundesregierung und des Auswärtigen Amtes betonten in Berlin ebenfalls das Interesse an einem Dialog mit Peking. “Wir erwarten keine Eiszeit”, sagte ein Sprecher des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft (APA) zu Reuters. China ist mittlerweile wieder der größte Handelspartner Deutschlands.

Wadephul hatte seine für das vergangene Wochenende geplante Reise nach China kurzfristig verschoben. Das Auswärtige Amt in Berlin hatte dazu erklärt, die chinesische Seite habe lediglich den Termin der beiden Außenminister bestätigt, nicht aber Treffen mit weiteren hochrangigen Gesprächspartnern. Wadephul hatte zuvor aber im einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters angekündigt, auch wirtschaftliche Belange ansprechen zu wollen. Er hatte ausdrücklich die chinesischen Exportbeschränkungen für Seltene Erden und Chips genannt, die deutschen Unternehmen Sorgen bereiten.

Am Montag waren beide Seiten um Deeskalation bemüht. Das Außenministerium verwies darauf, dass bald ein Telefonat von Wadephul mit seinem chinesischen Kollegen Wang Yi stattfinden solle. Die verschobene Reise wird nach Aussage des stellvertretenden Regierungssprechers Steffen Meyer keinen Einfluss auf die weiteren Planungen der Regierung haben. Es gebe keine Vorbedingung, dass etwa der Außenminister vor Kanzler Friedrich Merz (beide CDU) nach China reisen müsse, sagte er. “Aktuell laufen Planungen für eine mögliche Fortsetzung des deutsch-chinesischen Finanzdialogs”, hieß es im Finanzministerium auf Anfrage zu einer Mitte November angedachten Reise von Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD). Details wurden nicht genannt. “Das ist ein seit mehreren Legislaturperioden etabliertes Format der Finanzminister, das beide Seiten fortsetzen wollen”, hieß es nur. China wäre dieses Jahr Gastgeber. Pläne für eine Reise von Kanzler Merz gibt es derzeit nicht.

CHINA: GERADE JETZT IST ZUSAMMENARBEIT WICHTIG

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums wiederholte die übliche Formulierung der kommunistischen Führung in Peking, dass beide Seiten sich respektieren, “als Gleichberechtigte” behandeln und “für Win-Win-Ergebnisse” zusammenarbeiten sollten, um die bilateralen Beziehungen “auf den richtigen Weg” zu bringen. Gerade die “aktuellen Umstände” seien für beide Länder ein Grund, zusammenzuarbeiten, sagte er, ohne Details zu nennen.

Aus der deutschen Politik bekam Außenminister Wadephul überwiegend Zustimmung für die Entscheidung zur Verschiebung. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Agnieszka Brugger, sagte am Montag im Deutschlandfunk, Peking habe testen wollen, ob Deutschland “Spieler oder Spielball” sei. Die Verschiebung der Reise werde in Peking so verstanden, dass man sich mit Deutschland nicht alles erlauben könne, glaubt die Grünen-Politikerin. “Wenn keine entsprechenden Termine zustande kommen, macht ja eine Reise wenig Sinn”, hatte auch der CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn am Sonntag in der ARD gesagt.

“Da gibt es sicherlich gute Gründe, weshalb man diese Reise jetzt nicht stattfindet, sondern verschiebt”, sagte der niedersächsische Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) in der ARD. Es sei aber “ein gutes Signal”, dass der chinesische Handelsminister derzeit in Europa sei. “Wichtig ist nur dabei: Wir brauchen jetzt Beziehungspflege-Diplomatie, die diese Konflikte zeitnah löst”, sagte er mit Blick auf die Seltenen Erden. Kritik kam aus der AfD: Der Vorsitzende der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe, Peter Felser, warf Wadephul vor, sich wie ein “Elefant im Porzellanladen” zu benehmen und nahtlos eine “naive Außenpolitik seiner Vorgängerin Annalena Baerbock” fortzusetzen.

Auch aus der Wirtschaft kam indirekt Zustimmung. “Aus unserer Sicht ist klar: Es ist die chinesische Regierung, die die Samthandschuhe abgelegt hat”, sagte der APA-Sprecher. “Wir erwarten keine Rückkehr in einen Schmusekurs, wie er noch bis 2017/2018 gängig war bei vielen westlichen Regierungen.” Die Exportbeschränkungen für Seltene Erden, die wenig greifbaren Ergebnisse des EU-China-Gipfels im Juli oder die harsche Reaktion Chinas auf Entscheidungen der niederländischen Regierung in Sachen Nexperia sprächen eine deutliche Sprache, sagte er in Anspielung auf die Chip-Lieferprobleme von Nexperia an deutsche Autobauer. “China ist gewillt, wirtschaftliche Abhängigkeiten der EU als politische Waffe einzusetzen”, hieß es bei der APA weiter. Deshalb lohne die Anstrengungen für resilientere Wertschöpfungsketten der EU.

“Die Unternehmen in Deutschland und China sind an einem geordneten Handelsaustausch und an stabilen Lieferketten interessiert”, sagte Andreas Kroll-Pietsch, Geschäftsführer der Noble Elements, der Wadephul auf seiner China-Reise begleitet wollte, zu Reuters. Politisch motivierte Handelskonflikte und Exportbeschränkungen kosteten Wohlstand und müssten im konstruktiven Dialog geklärt werden. “Weitere Eskalationen liegen nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft.”

Statt nach China ist Außenminister Wadephul am Montag nach Brüssel geflogen. Dort will er mit Spitzenvertretern von EU und Nato über Sicherheit und Handel sprechen. Nach Angaben des Außenministeriums wird er auch mit dem indischen Handels- und Industrieminister Piyush Goyal zusammentreffen, der sich aktuell zu handelspolitischen Gesprächen in Brüssel aufhält.

(Mitarbeit: Holger Hansen, Rene Wagner, Sarah Marsh; redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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