– von Christoph Steitz und Alexander Hübner
Frankfurt (Reuters) – Der U-Boot- und Fregatten-Hersteller TKMS hat ein fulminantes Börsendebüt gefeiert. Der erste Kurs der Thyssenkrupp-Rüstungstochter wurde an der Frankfurter Börse am Montag mit 60 Euro festgestellt, am späten Vormittag pendelten sich die Aktien bei 86 Euro ein. Der Marine-Schiffbauer wird insgesamt mit 5,5 Milliarden Euro bewertet, weit höher als Analysten vor dem Börsengang angenommen hatten. “Wir sind hervorragend losgelaufen”, sagte Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez der Nachrichtenagentur Reuters. “Ich bin sehr, sehr froh.”
Die eigenständige Börsennotiz eröffne TKMS “zusätzliche Freiheitsgrade”, sagte Lopez auf dem Börsenparkett. Die handelbaren Aktien seien auch eine Akquisitionswährung, mit der TKMS Übernahmen finanzieren und damit an der Konsolidierung der Branche in Europa teilnehmen könne.
Auch aus Sicht der Thyssenkrupp-Aktionäre ist das Kalkül, die Tochter an die Börse zu bringen, aufgegangen. Sie bekamen am Montag für jeweils 20 ihrer Papiere eine TKMS-Aktie ins Depot gebucht, insgesamt 49 Prozent am Unternehmen. Bei Thyssenkrupp liegen die restlichen 51 Prozent. Die Aktien von Thyssenkrupp brachen zwar um 19 Prozent auf 9,78 Euro ein. Der Industriekonzern wird damit noch mit 6,1 Milliarden Euro bewertet. Unter dem Strich sind die Depots der 250.000 Thyssenkrupp-Aktionäre aber rechnerisch 17 Prozent mehr wert als am Freitag.
REKORD-AUFTRAGSBESTAND IN DEN BÜCHERN
TKMS-Vorstandschef Oliver Burkhard begrüßte die Abspaltung. “Das verschafft uns Spielräume für unternehmerisches Handeln. Wir benötigen mehr Agilität und Flexibilität”, sagte er auf dem Frankfurter Börsenparkett. Er kündigte an, noch am Montag mit Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius nach Kanada zu reisen. Dort erhofft sich TKMS neue U-Boot-Aufträge. Lopez will die Mehrheit an TKMS aber wohl nicht abgeben. “Ich denke, es ist ein Wachstumsmarkt. Es ist ein sehr wichtiger Teil unserer Geschäfte”, sagte er zu Reuters. “Wir werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten definitiv mehr Beschäftigung sehen, mehr Umsatz, höhere Auftragsbücher.”
Lange hatte Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) eher ein Schattendasein im Konzern geführt. Die Werften im Norden haben wenig Synergieeffekte mit dem größten deutschen Stahlkonzern im Ruhrgebiet. Das Blatt hat sich mit der Aufrüstung aber gewendet. Die Auftragsbücher platzen aus den Nähten: 18,6 Milliarden Euro bedeuten einen Rekord-Auftragsbestand. TKMS beschäftigt 9100 Mitarbeiter, 3300 davon arbeiten in Kiel, dem größten deutschen Werftenstandort. Weitere Standorte sind Wismar und Itajaí in Brasilien. Zu den Kunden gehören die deutsche Marine, weitere Nato-Staaten wie Norwegen sowie Singapur und Israel.
Insidern zufolge hatte die Düsseldorfer Rheinmetall schon vor Jahren ein Auge auf TKMS geworfen, traf allerdings auf wenig Gegenliebe. TKMS-Chef Burkhard hat sich mehrfach für eine Konsolidierung des Marine-Schiffbaus ausgesprochen. Insidern zufolge hatte er etwa Gespräche mit dem italienischen Konkurrenten Fincantieri geführt. Zu den großen europäischen Playern gehören die französische Naval Group und Saab aus Schweden. “Unter dem Einfluss etablierter Player wird die Konsolidierung weitergehen”, kommentierte Florian Becker, auf Übernahmen spezialisierter Partner der Anwaltskanzlei Noerr. “Entscheidend wird mittelfristig sein, inwieweit in der national regulierten Rüstungsbranche (…) in Europa ein Gegengewicht zu den großen US-Anbietern aufgebaut werden kann.”
THYSSENKRUPP SOLL FINANZHOLDING WERDEN
Die übrigen Teile von Thyssenkrupp – das angestammte Stahl-Geschäft, die Beteiligung an der Wasserstoff-Tochter Nucera, der Werkstoffhandel und die Autozuliefer-Sparte – kommen nach der Abspaltung von TKMS rechnerisch noch auf einen Börsenwert von zusammen 3,3 Milliarden Euro. Für das europäische Stahl-Geschäft hat der indische Rivale Jindal Steel ein Übernahmeangebot in Aussicht gestellt. Mit Jindal liefen intensive Gespräche, sagte Lopez zu Reuters. “Wir werden sehen, was sich daraus ergibt in den nächsten Monaten.” Thyssenkrupp Materials Services wird ebenfalls als Börsenkandidat gehandelt. Lopez, der Thyssenkrupp als Finanzholding organisieren will, wollte sich dazu nicht äußern.
(Bericht von Alexander Hübner und Christoph Steitz, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)