– von Ellen Zhang und Kevin Yao
Peking (Reuters) – Chinas Wirtschaft ist im Sommer so langsam gewachsen wie seit einem Jahr nicht mehr und signalisiert eine schwächelnde Inlandsnachfrage.Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Juli bis September um 4,8 Prozent zum Vorjahr zu, wuchs damit aber schwächer als noch im Frühling mit 5,2 Prozent, wie das Statistikamt am Montag mitteilte. Analysten in einer Reuters-Umfrage hatten damit gerechnet. “Die Konjunkturdynamik in China hat spürbar gelitten”, sagte Ökonom Nils Sonnenberg von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. “Strukturelle Probleme lasten weiter auf der Binnenwirtschaft.” Je schwächer die chinesische Binnennachfrage sei, “desto wichtiger wird der Export”, erklärte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. “Und um den Export am Laufen zu halten, wird China mit harten Bandagen kämpfen.”
Das offizielle Wachstumsziel der Regierung in Peking von fünf Prozent im Gesamtjahr 2025 bleibt damit Fachleuten zufolge erreichbar. “Exporte in die USA brechen ein, neue Märkte retten das Ergebnis – das Wachstum wird vorerst stark abhängig vom Außenhandel bleiben”, sagte Analyst Sonnenberg. Niedrigere Zinsen und Fiskalimpulse würden kaum etwas an den strukturellen Problemen der chinesischen Binnenwirtschaft ändern. Im nächsten Jahr werde die Wachstumsrate deshalb eher bei vier als bei fünf Prozent liegen. “Die erneute Zuspitzung des Handelskonfliktes mit den USA steigert die Konjunkturrisiken.”
Günstige Waren aus China sorgen derweil für Streitigkeiten im Handel, wie Gitzel betonte. Dazu gehörten auch Elektrofahrzeuge, die zu konkurrenzlos günstigen Preisen den Autobauern in Europa und USA zusetzten. “Auf Schutzzölle der Abnehmerländer kontert China seinerseits mit Exportbeschränkungen von Seltenen Erden.” China habe weltweit den höchsten Anteil am Abbau von Seltenen Erden und sei führend in der Weiterverarbeitung. “China wird auch gegenüber der europäischen Politik die Karte ‘Seltene Erden’ spielen und die europäische Politik unter Druck setzen, um Importzölle auf chinesische Elektrofahrzeuge zu senken”, erläuterte der Chefvolkswirt der VP Bank.
INVESTITIONEN SCHRUMPFEN – KONSUM SCHWÄCHELT
Die Investitionen sanken in den ersten neun Monaten 2025 um 0,5 Prozent binnen Jahresfrist. Der Pro-Kopf-Konsum stieg zudem im dritten Quartal um 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, nach 5,2 Prozent im ersten und zweiten Quartal. Die monatlichen Einzelhandelsumsätze zeigten im Sommer-Quartal eine ähnliche Verlangsamung wie im Frühjahr und stiegen im September nur um drei Prozent zum Vorjahr.
China-Experte Tommy Wu von der Commerzbank geht nicht davon aus, dass die Regierung in Peking für den Rest des Jahres umfangreiche Konjunkturmaßnahmen ergreifen wird. Er verwies auf das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas, dessen Plenarsitzung vier Tage dauere und den 15. Fünfjahresplan für 2026 bis 2030 überprüfe. Der detaillierte Plan werde zwar erst im März nächsten Jahres veröffentlicht. “Die Ergebnisse der Sitzung könnten jedoch einige aussagekräftige politische Signale aus mittel- bis langfristiger Perspektive liefern”, sagte Analyst Wu. “Wir gehen davon aus, dass China sich weiter auf Innovation und die Entwicklung von KI-Software, Halbleitern und Robotik sowie andere Bereiche wie Pharmazeutika und grüne Energie konzentrieren wird.”
Trotz der schwächeren Konjunktur ließ die chinesische Zentralbank ihre Leitzinsen den fünften Monat in Folge unverändert. Der einjährige Referenzzinssatz (LPR) für Unternehmenskredite verharrt bei 3,0 Prozent und der fünfjährige LPR als Richtschnur für Hypothekenzinsen bleibt bei 3,5 Prozent. Damit herrscht in China weiter Ruhe an der Zinsfront, obwohl es Anzeichen für ein langsameres Wirtschaftswachstum gibt und sich die Handelsspannungen zwischen den Regierungen in Peking und Washington zuletzt verschärft hatten. So kündigte die Volksrepublik strengere Exportkontrollen bei Seltenen Erden an. US-Präsident Donald Trump drohte mit noch höheren Zöllen.
Vom chinesischen Immobilienmarkt kamen erneut Signale der Schwäche. Die Preise für neue Wohnungen sind im September so stark gefallen wie seit fast einem Jahr nicht mehr. Sie sanken um 0,4 Prozent zum Vormonat, wie aus Reuters-Berechnungen auf Basis von Daten des Statistikamtes hervorgeht. Im August hatte das Minus noch 0,3 Prozent betragen. Die anhaltende Schwäche des Immobiliensektors belastet zunehmend das Wachstum der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. “Wenn der Wert von Immobilien, insbesondere in den Metropolen, weiter schrumpft, werden die Menschen das Gefühl haben, weniger Geld ausgeben zu können”, sagte Ökonomin Hanna Liu vom Finanzhaus Nomura.
(Mitarbeit von Samuel Shen in Shanghai; geschrieben von Klaus Lauer und Sabrina Frangos, redigiert von Kerstin Dörr. – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)