Wirecard-Aktionären droht Niederlage vor dem BGH

(stellt im dritten Satz klar: Anwalt vertritt die Insolvenzgläubiger, nicht den Insolvenzverwalter)

Karlsruhe (Reuters) – Die Aktionäre von Wirecard dürfen wohl doch nicht auf eine Entschädigung für ihre Kursverluste aus der Insolvenzmasse hoffen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) will am 13. November sein Urteil verkünden, ob die Aktionäre den Gläubigern gleichgestellt werden oder ob ihre Schadenersatzforderungen doch nachrangig sind. Ein Anwalt der Insolvenzgläubiger äußerte sich nach der Verhandlung am Donnerstag zuversichtlich, dass das Karlsruher Gericht deren Position stärken werde und die Aktionäre sich bei der Verteilung der Erlöse aus der Verwertung der Überreste des Zahlungsabwicklers hinten anstellen müssen. Die Vertreter der Fondsgesellschaft Union Investment, die die Klage angestrengt hatte, gaben sich pessimistisch.

Der Vorsitzende Richter Heinrich Schoppmeyer verwies am Ende der mündlichen Verhandlung auf den Verkündungstermin in vier Wochen. “Beide Seiten haben gute Argumente”, sagte Schoppmeyer. Er verwies aber mehrfach auf die Insolvenzordnung, die auch eine Verteilungsordnung enthalte. Danach kommen Eigentümer erst zum Zuge, wenn alle Gläubiger befriedigt sind.

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München (OLG) hatte vor gut einem Jahr überraschend den Wirecard-Aktionären denselben Rang wie Gläubigern zuerkannt, weil sie vom Vorstand über Jahre getäuscht worden seien. Die übrigen Gläubiger – also Banken, Anleihegläubiger oder die Arbeitsagentur – müssten sich den Kuchen, der in den nächsten Jahren zur Verteilung ansteht, demnach mit den rund 52.000 Aktionären teilen, die Schadenersatzansprüche beim Insolvenzverwalter angemeldet haben. Gegen die Entscheidung des OLG legten Insolvenzverwalter Michael Jaffe und die Gläubiger Revision ein. Das letzte Wort hat nun der Bundesgerichtshof (BGH).

Insgesamt wurden im Insolvenzverfahren laut OLG Ansprüche über 15,4 Milliarden Euro angemeldet, davon kamen allein 8,5 Milliarden Euro von den Aktionären. Insolvenzverwalter Jaffe hat bisher rund 650 Millionen Euro aus der Verwertung der Überreste von Wirecard eingesammelt, die am Ende des Verfahrens unter den Gläubigern verteilt werden können.

Dabei geht es um die Grundsatzfrage, ob und unter welchen Umständen Aktionäre als Miteigentümer überhaupt als Gläubiger im Insolvenzverfahren in Frage kommen können. Normalerweise kommen sie erst dann zum Zuge, wenn alle anderen Anspruchsberechtigten befriedigt sind – in der Praxis so gut wie nie. Das Landgericht München hatte das vor knapp zwei Jahren auch so gesehen und die Klage von Union Investment abgewiesen. Die Fondsgesellschaft argumentierte auch vor dem BGH mit einem Schadenersatzanspruch der Aktionäre wegen arglistiger Täuschung.

Wirecard war jahrelang an der Börse auf einer Erfolgswelle geschwommen und bis in den Leitindex Dax aufgestiegen. Im Juni 2020 brach die Firma aus Aschheim bei München zusammen, nachdem sich 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf Treuhand-Konten in Asien lagen, als nicht existent entpuppten. Der langjährige Vorstandschef Markus Braun und zwei weitere Manager müssen sich seit Ende 2022 unter anderem wegen Bilanzfälschung und Bandenbetrug vor Gericht verantworten. Jaffe und die Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass es das Geschäft mit Partnern in Asien, das den Großteil der ausgewiesenen Gewinne geliefert hatte, tatsächlich nie gab.

(Bericht von Ursula Knapp. Bearbeitet von Alexander Hübner. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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