Wer kommt nach Ottobock? Kaum Börsenneulinge in Sicht

– von Alexander Hübner und Charlie Conchie

München/London (Reuters) – Ottobock ist erfolgreich an der Börse angekommen. Doch zum Mutmacher für weitere deutsche Börsenkandidaten wird der weltgrößte Prothesenhersteller Finanzkreisen zufolge damit nicht – jedenfalls noch nicht in diesem Herbst.Der Börsengang der Deutsche-Börse-Tochter ISS Stoxx sei in diesem Jahr nicht mehr zu erwarten, sagten drei mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Allein der Münchner Medizintechnik-Konzern Brainlab könnte seine im Sommer auf die lange Bank geschobenen Börsenpläne in den nächsten Wochen noch aufleben lassen, erklärten Investmentbanker. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen.

Brainlab hatte im Juli einen Rückzieher gemacht – Insidern zufolge aus Angst, die Aktie könnte nach der Erstnotiz in die Knie gehen. Nun wäre das Umfeld besser, wie der Börsengang von Ottobock zeige. Der auf Gehirn- und Tumor-Operationen spezialisierte Softwareanbieter Brainlab wäre vor dem Sommer mit 1,7 Milliarden Euro bewertet worden. Eine Sprecherin betonte, der Börsengang sei nur verschoben. “Wir beobachten deshalb das Börsenumfeld sehr genau und prüfen, welche Optionen sich bieten. Dazu sind wir mit diversen Kapitalmarktakteuren im Austausch.”

INSIDER: ISS STOXX BÖRSENGANG NICHT MEHR IN DIESEM JAHR

In den internen Plänen der Investmentbanker hatte ISS Stoxx eigentlich als einer der ersten Börsengänge nach der Sommerpause gestanden. Doch der offizielle Startschuss blieb aus. Die Börse habe ein zu geringes Interesse festgestellt, sagte eine mit den Vorbereitungen vertraute Person. Mehrere Banker sagten, ein neuer Anlauf sei frühestens 2026 zu erwarten. Sie verwiesen darauf, dass Konkurrenten von ISS Stoxx wie die Londoner Börse LSEG an der Börse zuletzt weniger gefragt waren. Dazu komme die schwache Konjunktur in Deutschland.

Die Deutsche Börse sieht das Listing als Chance, dem Finanzinvestor General Atlantic den Ausstieg zu ermöglichen, der 2019 bei einem der Vorgänger des Aktionärsberaters (ISS) und Index-Anbieters (Stoxx) eingestiegen war und 20 Prozent hält. Alternativ könnte sie das Paket auch zurückkaufen. Ein Sprecher des Frankfurter Marktbetreibers sagte, weiterhin würden beide Varianten geprüft. “Es gibt noch keine Entscheidung.” General Atlantic habe keinen Druck, schnell zu verkaufen, hieß es in Finanzkreisen.

LISTING VON TKMS IM OKTOBER ERWARTET

Einen Börsenneuling wird es an der Frankfurter Börse aber auf jeden Fall geben: Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS), der Hersteller von Kriegsschiffen, soll noch im Oktober vom Mutterkonzern Thyssenkrupp abgespalten und eigenständig gelistet werden. Weil dabei den Thyssenkrupp-Aktionären einfach 49 Prozent der Aktien ins Depot gebucht werden und kein frisches Geld hereinkommt, gilt das Listing aber nicht als Neuemission. Analysten rechnen mit einer Bewertung von TKMS von 2,3 bis 2,7 Milliarden Euro. Ähnlich hatte es der Reifenkonzern Continental mit seiner Autozuliefer-Tochter Aumovio gemacht, die an der Börse im September wohlwollend aufgenommen wurde und mit 3,5 Milliarden Euro bewertet wird.

Andere Börsenhoffnungen waren schon vorher zerstoben: Die Eigentümer des hessischen Pharmakonzerns Stada hatten sich im September doch für den Verkauf an den nächsten Finanzinvestor entschieden. Auch beim Stromnetz-Betreiber TenneT Deutschland schlugen Investoren zu. Die Oldenburgische Landesbank (OLB) ging an den Eigentümer der Targobank, den französischen Credit Mutuel. Der Berliner Auto-Ersatzteilhändler Autodoc schaffte es im Juni nicht, ausreichend Käufer für seine Aktien zu finden.

DIE HOFFNUNGSTRÄGER FÜR 2026

So richten die Börsengang-Experten in den Investmentbanken schon den Blick auf das kommende Jahr. Dann heißen die ersten Hoffnungsträger Mobile.de, TK Elevator und KNDS. Mobile.de, der deutsche Marktführer bei Automobil-Verkaufsanzeigen, gehört der norwegischen Adevinta, hinter der die Finanzinvestoren Permira und Blackstone stehen, und könnte laut Berichten allein mit zehn Milliarden Euro bewertet werden.

Bei TK Elevator, der ehemaligen Aufzugssparte von Thyssenkrupp, suchen die Finanzinvestoren Advent und Cinven den Ausstieg. Sie hatten das Unternehmen 2020 zusammen mit der RAG-Stiftung für 17 Milliarden Euro gekauft. Wie bei Mobile.de wird auch hier parallel ein Weiterverkauf an den nächsten Investor geprüft.

Der deutsch-französische Panzerbauer KNDS hat sich zwar zu seinen Börsenplänen bekannt, doch gibt es noch viele lose Enden. Derzeit ist von einem Doppel-Listing in Frankfurt und Paris die Rede. Offen ist aber noch, ob der Bund dabei als Ankeraktionär einsteigt und ob die Miteigentümerfamilie Wegmann (Krauss-Maffei Wegmann) den Börsengang zum Rückzug nutzt.

(Bericht von Alexander Hübner und Charlie Conchie, Mitarbeit: Amy-Jo Crowley und Tom Sims, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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