Aufbruchsignal der Koalition für Verkehr und Bau – Einigung bei Bürgergeld

– von Andreas Rinke und Christian Krämer

Berlin (Reuters) – Straßenbau, Aktivrente, Bau-Turbo, Bürgergeld-Reform: Die schwarz-rote Bundesregierung hat am Donnerstag versucht, ein Startsignal für Investitionen etwa im Verkehrs- und Baubereich zu senden.

Beim nächtlichen Koalitionsausschuss kamen die Partei- und Fraktionsspitzen von CDU, CSU und SPD überein, dass jetzt mit zusätzlichen drei Milliarden Euro alle baureifen Verkehrsprojekte in Angriff genommen werden können. Der Bundestag beschloss zudem einen deutlichen Bürokratieabbau im Bausektor. Die Koalitionspartner sagten der Autobranche zu, in Brüssel für eine Änderung der EU-Vorschrift zu kämpfen, dass ab 2035 nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden sollen.

“Es gibt keine Gründe mehr, nicht zu bauen”, sagte Vizekanzler und SPD-Co-Chef Lars Klingbeil in der gemeinsamen Pressekonferenz der Parteichefs. Kanzler Friedrich Merz (CDU) lobte am Abend einen neuen Geist in der Regierung. Dies sei angesichts der angeschlagenen Lage der deutschen Wirtschaft auch bitter nötig. Erste Reaktionen aus der Wirtschaft waren positiv. “Endlich geht es voran”, sagte etwa der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, Dirk Jandura. Von den Gewerkschaften und den Grünen kam dagegen Kritik an der Reform des Bürgergelds.

HILFE FÜR BAU- UND AUTOBRANCHE

Angesichts der angeschlagenen Lage auch der Bauindustrie betonten vor allem Klingbeil und CSU-Chef Söder, dass nun Irritationen beseitigt seien. Zuvor war der Eindruck entstanden, dass trotz einer Rekordschuldenaufnahme für Infrastruktur-Investitionen baureife Projekte nicht angegangen werden könnten. Dies hatte vor allem in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Verärgerung gesorgt. Nun werden drei Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds, die für Mikroelektronik vorgesehen waren, umgeschichtet. Zudem bekommen baureife Projekte Vorrang. Söder verwies darauf, dass mit dem verabredeten Planungsbeschleunigungsgesetz auch weitere Vorhaben schneller baureif würden.

Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hatte ursprünglich von fehlenden 15 Milliarden Euro gesprochen. Klingbeil und Merz verwiesen darauf, dass dieser Betrag durch eine Überprüfung auf 4,7 Milliarden Euro zusammengeschrumpft sei. Mit der nun getroffenen Vereinbarung und der Überprüfungsklausel könne man den Bau aller Vorhaben sicherstellen. Das Verkehrsministerium verschickte am Abend eine Liste mit Vorhaben, deren Finanzierung nun gesichert sei.

Mit Blick auf den Auto-Dialog am Mittag mit Konzernen, Ministerpräsidenten, Zulieferern und Gewerkschaften beschloss die Koalition auch ein drei Milliarden Euro schweres Programm, mit dem es Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen ermöglicht werden soll, auf E-Autos umzusteigen.

Sowohl Merz als auch Klingbeil sagten der Branche zudem zu, dass die Bundesregierung in der EU die geltende Vorschrift kippen will, wonach ab 2035 nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden sollen. Merz kündigte an, dass er sich bereits auf dem EU-Gipfel Ende Oktober dafür einsetzen wolle, dass dies korrigiert werde. Der Autoverband VDA und die IG Metall hatten sich zuvor für eine Änderung des sogenannten Verbrenner-Aus eingesetzt. Die SPD erwartet im Gegenzug Standort- und Jobgarantien der Konzerne für Deutschland.

Auftrieb für die Baubranche soll der mit den Stimmen von Union und SPD im Bundestag beschlossene Bau-Turbo bringen. Konkret sollen die Genehmigungsverfahren der Kommunen beschleunigt werden – für Neubauten, Nachverdichtungen sowie Aufstockungen etwa auf Supermärkten. Ob der Turbo am Ende zündet, hängt aber davon ab, ob die Kommunen von der Möglichkeit auch Gebrauch machen.

DURCHBRUCH BEI BÜRGERGELD UND AKTIVRENTE

Die Koalitionsspitzen räumten auch bei zwei anderen Themen ihre Differenzen ab: Die Aktivrente soll ältere Arbeitnehmer zur freiwilligen Arbeit über das Renteneintrittsalter hinaus anregen. Diese soll zum 1. Januar in Kraft treten. Die Frühstartrente soll erst im kommenden Jahr umgesetzt werden, aber rückwirkend zum 1. Januar gelten. Dabei soll der Staat schon für Kinder und Jugendliche Geld ansparen, das später für die Rente genutzt werden soll. Söder sprach von einem umfassenden Rentenpaket, zu dem auch die bereits beschlossene Erhöhung der Mütterrente zähle.

Die Koalitionsspitzen verständigten sich auch auf Eckpunkte für die Reform des Bürgergelds, das künftig Grundsicherung heißen soll. So sollen Bezieher der staatlichen Leistung dazu gebracht werden, bei der Reintegration in den Arbeitsmarkt mitzuwirken. Bei einer Verweigerung soll die Leistung komplett gestrichen werden können – allerdings erst nach mehreren nicht wahrgenommenen Terminen bei den Jobcentern. Man sei an die Grenze dessen gegangen, was verfassungsrechtlich möglich sei, betonte Arbeitsministerin und SPD-Co-Chefin Bärbel Bas. Dies könne sie auch gegenüber ihrer Partei verantworten. Söder erklärte: “Das Kapitel Bürgergeld ist in der Form beendet.”

(Bericht von Andreas Rinke, Christian Krämer, Ilona Wissenbach und Holger Hansen; redigiert von Scot W. Stevenson)

tagreuters.com2025binary_LYNXNPEL980F2-VIEWIMAGE