Frankreich rutscht immer tiefer in die politische Krise.
Nach knapp einem Monat im Amt und kaum 14 Stunden nach der Bekanntgabe seines Kabinetts trat Ministerpräsident Sébastien Lecornu am Montag überraschend zurück. Präsident Emmanuel Macron habe diesen akzeptiert, teilte das Präsidialamt mit. Erst am Sonntagabend war das neue Kabinett von Lecornu bekanntgeworden. Verbündete und Gegner drohten umgehend damit, die Regierung zu stürzen. Die Krise belastet den französischen Aktienmarkt. Auch der Euro geriet unter Druck.
Der Rücktritt Lecornus kam unerwartet. Der 39-Jährige, den Macron Anfang September ernannt hatte, war der fünfte Regierungschef in weniger als zwei Jahren. Lecornus Vorgänger François Bayrou war neun Monate im Amt und stürzte im Parlament über eine Vertrauensfrage. Bayrou trat für einen Sparkurs ein, mit dem er die Staatsverschuldung in den Griff bekommen wollte.
Nach wochenlangen Gesprächen mit allen politischen Parteien hatte Lecornu, ein enger Verbündeter Macrons, am Sonntag seine Minister ernannt. Ihr erstes Treffen sollte am Montagnachmittag stattfinden. Doch das neue Kabinett verärgerte Gegner wie Verbündete gleichermaßen, die es entweder als zu rechts oder als nicht rechts genug empfanden. Dies warf schon vorher die Frage auf, wie lange die Regierung durchhalten könnte. Frankreich steckt bereits in einer tiefen politischen Krise. Keine Fraktion im zersplitterten Parlament verfügt über eine Mehrheit. Die Rechtsaußen-Partei RN forderte umgehend eine Neuwahl.
TIEFERE KRISE SEIT NEUWAHL 2024
Seit Macrons Wiederwahl 2022 ist die politische Lage zunehmend instabil. Er selbst verschärfte die Situation im vergangenen Jahr. Nach der von ihm angesetzten vorgezogenen Wahl ist das Parlament noch stärker zersplittert, womit die Bildung einer Regierung noch schwieriger geworden ist.
Eine der wichtigsten Aufgaben von Lecornu war es, eine Mehrheit für den Haushalt 2026 im Parlament zu finden. Das französische Defizit liegt derzeit bei fast dem Doppelten der in der EU erlaubten Obergrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Bis 2029 wollte er es auf die EU-Obergrenze drücken. Forderungen nach einer Wiedereinführung der Vermögensteuer erteilte er eine Absage. Die oppositionellen Sozialisten verlangen dies im Gegenzug für ihre Unterstützung beim Haushalt. Landesweit hatten Beschäftigte gegen die geplanten Kürzungen protestiert und waren auch in Streiks getreten.
(Geschrieben von Kerstin Dörr, redigiert von Thomas Seythal)