US-Shutdown belastet Wirtschaft und trübt Sicht der Fed auf Konjunktur

New York/Berlin (Reuters) – Der Shutdown in den USA lastet auf der Wirtschaft und erschwert der Notenbank mangels frischer Konjunkturdaten das Steuern des Zinskurses.

Nach Schätzungen der Ratingagentur S&P dürfte der teilweise Regierungsstillstand das Wirtschaftswachstum für jede Woche seiner Dauer um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte schmälern. Die Zahl berücksichtige hauptsächlich direkte Kosten und sei daher eine konservative Schätzung, teilte die Agentur mit. Die wirtschaftliche Unsicherheit steige, da die frei verfügbaren Ausgaben des Bundes vorübergehend gekürzt würden und sich die Stimmung eintrübe. Durch den Budgetstreit müssen Mitarbeiter vieler US-Behörden in den Zwangsurlaub. Als eine unmittelbare Folge gilt die Verzögerung wichtiger Wirtschaftsdaten, etwa des für Freitag erwarteten Arbeitsmarktberichts.

“Das erschwert die Entscheidungsfindung der US-Notenbank, wie es mit den Leitzinsen weitergeht”, erläuterte DZ Bank-Analystin Birgit Henseler. Eine höhere Volatilität bei den Zinserwartungen könnte ihrer Ansicht nach kurzfristig für Eintrübungen an den Börsen sorgen. Die Lage am Arbeitsmarkt steht derzeit besonders im Fokus. Er hat zuletzt Zeichen der Schwäche gezeigte, da der vormals kräftige Beschäftigungsaufbau weitgehend zum Erliegen gekommen ist. Auch vor diesem Hintergrund hat die US-Notenbank Fed Mitte September erstmals in diesem Jahr die Zinsen gesenkt.

Sollten der Job-Bericht und noch weitere wichtige Daten bei einem länger andauernden Shutdown auf sich warten lassen, müsste die Fed praktisch im Blindflug auf die nächste Zinssitzung zusteuern. Nach Ansicht vieler Investoren dürften die Währungshüter Ende des Monats dennoch einen zweiten Zinsschritt nach unten wagen: “Bezieht die Fed das schwächere Wachstum durch den Stillstand im Regierungsapparat mit in ihre Entscheidung ein, können Investoren sogar dem Shutdown etwas Gutes abgewinnen”, meint Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets.

Der Chef des Notenbankbezirks Chicago, Austan Goolsbee, hatte jüngst jedoch beklagt, dass offizielle Statistiken just zu einem Zeitpunkt ausfielen, an dem die Fed herausfinden wolle, ob die Wirtschaft an einem Wendepunkt stehe. Sie sei dann darauf angewiesen, nach alternativen Datenquellen zu suchen.

Die aus eigenen Mitteln finanzierte Zentralbank ist von dem Shutdown selbst nicht betroffen. Hunderttausende Bundesbedienstete wurden hingegen wegen der Haushaltssperre in den unbezahlten Zwangsurlaub geschickt.

KOMMEN DAUERHAFTE STELLENSTREICHUNGEN?

US-Präsident Donald Trump nutzt den Haushaltsstreit auch für Einschnitte in den von seinen Gegnern dominierten Bundesstaaten. Im Zuge des Shutdowns fror die Regierung in Washington 26 Milliarden Dollar für bestimmte Bundesstaaten ein. So sollen 18 Milliarden Dollar für Verkehrsprojekte im Staat New York blockiert werden. Für erneuerbare Energien werden acht Milliarden Dollar zurückgehalten, die für 16 Bundesstaaten bestimmt sind. Hier trifft es unter anderem das von Trumps Rivalen, Gouverneur Gavin Newsom, regierte Kalifornien. In New York sind die beiden ranghöchsten Demokraten im Kongress, Chuck Schumer und Hakeem Jeffries, beheimatet.

Anders als bei früheren Haushaltssperren hat die Regierung die Bundesbehörden diesmal auch angewiesen, Pläne für dauerhafte Stellenstreichungen auszuarbeiten. Der “Shutdown” ist die Folge davon, dass sich die Republikaner um US-Präsident Trump und die oppositionellen Demokraten beim jedes Jahr im September anstehenden Bundeshaushalt für das neue Fiskaljahr nicht einigen konnten. Der bislang längste “Shutdown” in der US-Geschichte dauerte zur Jahreswende 2018/2019 während der ersten Amtszeit von Präsident Trump insgesamt 35 Tage.

Der Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia, verweist darauf, dass ein Großteil des konjunkturellen Schadens damals zwar im Nachhinein wieder aufgeholt worden sei. Bei diesem Vergleich müsse man aber vorsichtig sein. Denn in jene Zeit seien viele Feiertage gefallen, an denen ohnehin nicht so viel Wirtschaftsleistung erbracht werde. Das sei jetzt anders: “Zum anderen sollte man berücksichtigen, dass derzeit die Unsicherheit darüber, wo wir uns im Konjunkturzyklus befinden, sehr hoch ist, und die Finanzmärkte nach Meinung vieler Beobachter als überhitzt angesehen werden.”

(Bericht von Lewis Krauskopf, Suzanne McGee, Stephen Culp, Michelle Price, Ann Saphir, geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Ralf Banser; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

tagreuters.com2025binary_LYNXNPEL9104E-VIEWIMAGE