Frankfurt (Reuters) – Die Piloten der Lufthansa haben in einer Urabstimmung der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) die Weichen auf Streik gestellt.
Eine große Mehrheit der Cockpit-Beschäftigten von Lufthansa und Lufthansa Cargo unterstütze die Tarifkommission, erklärte die VC am Dienstag. Mit dem Mandat könnten in dem Tarifstreit um die Betriebsrente “bei Bedarf alle notwendigen Maßnahmen bis hin zu Arbeitskampfmaßnahmen” eingeleitet werden. VC-Verhandlungsführer Arne Karstens forderte die Lufthansa auf, ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. Sollten die Tarifparteien nicht zurück an den Verhandlungstisch finden, könnte es bald zu Streik an den Lufthansa-Drehkreuzen Frankfurt oder München mit massiven Flugausfällen kommen.
Die Lufthansa-Aktien weiteten ihre Kursverluste auf mehr als fünf Prozent aus. Ein Lufthansa-Sprecher erklärte, die Airline nehme das Ergebnis zur Kenntnis. Die VC habe den Arbeitgeber bisher aber nicht darüber informiert.
Die Gewerkschaft fordert für die rund 4800 Cockpit-Beschäftigten höhere Arbeitgeberbeiträge zur betrieblichen Altersvorsorge. Denn seit das System 2017 umgestellt wurde von einer Arbeitgebergarantie für die Auszahlung auf eine Garantie der Einzahlungen, habe sich das Versorgungsniveau wegen geringer Verzinsung verschlechtert. Die Lufthansa lehnte das als unbezahlbar ab. Die VC hatte die Verhandlungen nach sieben Runden für gescheitert erklärt und leitete die Urabstimmung über möglichen Arbeitskampf ein.
“Die Pilotinnen und Piloten stehen klar hinter den Forderungen und ihrer Tarifkommission”, sagte VC-Präsident Andreas Pinheiro. Bei mehr als 90 Prozent Wahlbeteiligung sprachen sich 88 Prozent der Lufthansa-Piloten und sogar 96 Prozent des Cockpit-Personals der Frachtairline Lufthansa Cargo dafür aus.
KOSTENDRUCK
Der letzte, kurze Arbeitskampf der Piloten legte die Lufthansa 2022 für einen Tag lahm. Die jetzt wieder diskutierte betriebliche Altersvorsorge war auch ein Thema bei der großen Streikwelle von mehr als einem Dutzend Ausständen der Piloten von 2012 bis 2016. Im vergangenen Jahr verursachten von der Gewerkschaft Verdi organisierte Streiks des Bodenpersonals mit acht Ausfalltagen nach Angaben der Lufthansa fast eine halbe Milliarde Euro Kosten und Ertragsausfälle.
Ein Arbeitskampf bei der Lufthansa könnte in den Herbstferien Tausende Fluggäste treffen. Der Ausstand würde die Kosten bei der Premiumairline weiter in die Höhe treiben, die seit dem vergangenen Jahr rote Zahlen schreibt. Der Chef von Lufthansa Airlines, Jens Ritter, hatte die Forderung der VC für nicht bezahlbar erklärt. Sie würde die Ausgaben für die “ohnehin schon sehr gute” Altersversorgung im Cockpit auf 228 Millionen Euro mehr als verdoppeln. Bei einem so hohen Anstieg der Personalkosten müssten weitere Flugzeuge von der Lufthansa zu den günstiger arbeitenden neuen Flugbetrieben City und Discover Airlines verlagert werden.
Im Hintergrund schwelt der Konflikt um die Zukunft der Hauptmarke Lufthansa. Sie zahlt die höchsten Cockpit-Gehälter des Konzerns. Die Lufthansa hat die neuen Airlines erklärtermaßen gegründet, um Personalkosten zu senken und profitabler zu werden. Denn mit einer geringen Rendite von 4,4 Prozent im vergangenen Jahr steht der MDax-Konzern am Kapitalmarkt unter Druck. Am Montag hatte die Lufthansa auf einer Investorenkonferenz den Abbau von 4000 Stellen in der Verwaltung angekündigt und einen Plan präsentiert, um die Marge bis Ende des Jahrzehnts auf acht bis zehn Prozent zu steigern.
Die VC wirft der Lufthansa vor, die Hauptmarke absichtlich schlecht zu rechnen. VC-Verhandlungsführer Karstens erklärte vor Kurzem, die Zersplitterung in viele kleinere Gesellschaften habe erst zu Ineffizienzen und Kostensteigerungen geführt. “Das Problem sind nicht unsere Verträge, sondern Management-Fehler.” Dass der Beitrag zur Betriebsrente stark steigen würde, bestreitet die VC nicht. Nach einer Beispielrechnung müsste die Lufthansa die Zuzahlung von derzeit 820 Euro auf 1800 Euro im Monat erhöhen. Gefordert wird zudem ein jährlicher Bonus von 1000 Euro und eine Einmalzahlung in das System in Höhe eines Monatsgrundgehalts.
(Bericht von Ilona Wissenbach, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)