– von Alexander Hübner
München (Reuters) – Der weltgrößte Prothesenhersteller Ottobock peilt bei seinem Börsengang einen Marktwert von bis zu 4,2 Milliarden Euro an.
Bis zu 12,35 Millionen Aktien des Familienunternehmens aus dem niedersächsischen Duderstadt werden von Dienstag an bis zum 7. Oktober in einer Spanne von 62 bis 66 Euro angeboten, wie Ottobock am Montag mitteilte. Die Erstnotiz an der Frankfurter Börse ist für den 9. Oktober geplant. Einschließlich Schulden würde Ottobock mit 5,1 bis 5,3 Milliarden Euro bewertet. Das liegt unter den Insidern zufolge angepeilten sechs Milliarden – ein Abschlag ist bei Börsengängen aber üblich. Es wäre der erste Börsengang in Deutschland im streng regulierten Prime Standard in diesem Jahr. Als Ankerinvestor will der Hamburger Milliardär Klaus-Michael Kühne bei Ottobock einsteigen.
Insgesamt würde Ottobock mit dem Börsengang zwischen 766 und 808 Millionen Euro einnehmen. 100 Millionen davon gehen an das Unternehmen selbst. “Die Erlöse … verschaffen uns zusätzliche finanzielle Flexibilität, gezielt in neue Technologien zu investieren, weiterhin neue Maßstäbe in Human Bionics zu setzen und neue strategische Chancen zu nutzen”, sagte Vorstandschef Oliver Jakobi. Der Rest geht an die Eigentümerfamilie Näder, die auch nach dem Börsengang mehr als 80 Prozent der Anteile hält.
Der Familie von Verwaltungsratschef Hans-Georg Näder, einem Nachfahren des Firmen-Mitgründers Otto Bock, gehört das Unternehmen erst seit 2024 wieder vollständig. Der schwedische Finanzinvestor EQT verkaufte seinen Minderheitsanteil von 20 Prozent damals nach sieben Jahren an die Familie zurück. Diese finanzierte den Rückkauf mit teuren Krediten, mit dem Börsengang könnte sie diese zum Teil tilgen.
Für fast ein Drittel des Emissionsvolumens hat Ottobock feste Abnehmer. Der Logistik-Unternehmer Kühne (Kühne & Nagel) hat sich verpflichtet, Aktien für bis zu 125 Millionen Euro zu kaufen und würde damit knapp drei Prozent der Anteile halten. Ihm gehört auch der Pharma-Auftragsfertiger Aenova. Als zweiter Ankeraktionär tritt der Smallcap World Fund auf, ein Fonds des US-Vermögensverwalters Capital Group, der Papiere für 115 Millionen Euro zeichnen will. Organisiert wird der Börsengang von BNP Paribas, der Deutschen Bank und Goldman Sachs.
OTTOBOCK WÄRE ERSTER BÖRSENGANG DES JAHRES IM PRIME STANDARD
Bisher hatten nur zwei Unternehmen im Freiverkehrssegment “Scale” den Sprung an die Frankfurter Börse 2025 geschafft. Der Medizintechnik-Hersteller Brainlab und der Auto-Ersatzteilehändler Autodoc waren im ersten Anlauf gescheitert. Der Pharmakonzern Stada, der ebenfalls Börsenpläne hegte, war an den nächsten Finanzinvestor verkauft worden. Die Abspaltung des Autozuliefer-Geschäfts von Continental unter dem Namen Aumovio hat der Deutschen Börse zwar einen Neuzugang beschert, neue Aktien wurden dabei aber nicht ausgegeben.
Ottobock erwirtschaftete im vergangenen Jahr mit weltweit 9300 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,43 Milliarden Euro und ein bereinigtes operatives Ergebnis (Ebitda) von 321 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr 2025 stieg der Umsatz um 14 Prozent auf 760 Millionen Euro, das bereinigte Ebitda verbesserte sich um rund ein Drittel auf 175 Millionen Euro. Unter dem Strich stand laut dem Börsenprospekt in den ersten sechs Monaten ein bereinigter Nettogewinn von 68,7 (31,6) Millionen Euro. 30 bis 40 Prozent des Gewinns sollen künftig als Dividende ausgeschüttet werden, wie aus dem Prospekt hervorgeht.
Ottobock hofft auf ähnliche relative Bewertungen wie die Medizintechnik-Anbieter Straumann, Coloplast und der direkte Rivale Embla (“Össur”). Fast neun Prozent des Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen in Russland. Als Medizintechnik-Unternehmen unterliegt es keinen Sanktionen.
Deutlich größer als Ottobock soll der Börsengang des schweizerischen Sicherheitsdienstleisters Verisure ausfallen. Die Emission der früheren Tochter des schwedischen Sicherheits-Konzerns Securitas an der Börse Stockholm soll 3,1 Milliarden Euro einbringen. Das Unternehmen legte die Preisspanne am Montag auf 142 bis 153 schwedische Kronen fest. Damit würde Verisure mit 12,9 bis 13,9 Milliarden Euro bewertet. Das Unternehmen gehört dem US-Investor Hellman & Friedman.
(Bericht von Alexander Hübner; weiterer Reporter: Terje Solsvik in Oslo; Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)