Trump versetzt Pharmabranche mit neuen Zöllen in Aufruhr

Washington/Frankfurt/Zürich (Reuters) – US-Präsident Donald Trump hat die weltweite Pharmabranche mit der Ankündigung hoher Strafzölle in Aufruhr versetzt.

Der neue Zoll von 100 Prozent auf Marken- oder patentgeschützte Pharmaprodukte soll ab 1. Oktober auf alle Importe fällig werden, kündigte der Republikaner am Donnerstag auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social an. Eine Ausnahme gebe es nur, wenn das jeweilige Unternehmen bereits mit dem Bau einer Produktionsstätte in den USA begonnen habe.

Zunächst blieb unklar, ob die neuen Abgaben zusätzlich zu bereits bestehenden nationalen Zöllen erhoben werden und ob Handelspartner, die wie die Europäische Union (EU) und Japan bereits Zollabkommen mit den USA abgeschlossen haben, ausgenommen werden. Die EU betont, dass sie eine Obergrenze von 15 Prozent für US-Zölle auf Arzneimittel durchgesetzt hat. Die USA beabsichtigten, umgehend sicherzustellen, dass der Zollsatz, der auf Ursprungswaren der Europäischen Union für Pharmazeutika, Halbleiter und Bauholz angewendet wird, 15 Prozent nicht übersteige, erklärt ein Sprecher der EU-Kommission. Japan prüfe, wie die neuen Maßnahmen im Verhältnis zu dem bestehenden Abkommen stünden, sagte der japanische Chefunterhändler Ryosei Akazawa am Freitag auf einer Pressekonferenz.

BRANCHENVERBÄNDE ALARMIERT

Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen in Deutschland (vfa) warnte vor den Auswirkungen möglicher neuer US-Zölle auf die Branche. “Die angekündigten Importzölle von 100 Prozent hätten gravierende Auswirkungen auf die internationalen Lieferketten, verteuerten die Produktion von Arzneimitteln und gefährdeten die Versorgung von Patientinnen und Patienten – sowohl in den USA als auch in Europa”, sagte vfa-Präsident Han Steutel. “Wir sehen schon jetzt, dass Investitionen am Standort eingefroren werden.” Die Ankündigungen von Trump stellten das Handelsabkommen zwischen der EU und den USA infrage.

Auch der Branchenverband der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie zeigte sich besorgt. “Das ist ein weiterer Schlag ins Gesicht. Und ein neuer Tiefpunkt für die Handelsbeziehungen mit den USA”, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup. “Wenn der 15-Prozent-Deal nicht auch für Pharmaprodukte gilt, ist er nichts wert.”

SCHWEIZER KONZERNE WIEGELN AB

Der Schweizer Pharmariese Novartis sieht sich vom US-Zoll nicht betroffen. “Wir gehen davon aus, dass wir noch vor Ende des Jahres den Baustart für fünf neue Standorte ankündigen können, weitere Bauarbeiten sind im Gange”, erklärte das Unternehmen. “Vor diesem Hintergrund sollte der angekündigte 100-Prozent-Zollsatz keine Auswirkung auf Novartis haben.” Auch der Rivale Roche signalisierte, dass wohl keine Abgabe auf seine Arzneien anfallen dürfte. Roche habe jüngst mit dem Bau einer Produktionsanlage in Holly Springs im Bundesstaat North Carolina begonnen, erklärte ein Sprecher des Konzerns aus Basel, ohne direkt auf den US-Importzoll einzugehen. Die beiden Unternehmen haben ebenso wie zahlreiche andere Pharmakonzerne in den vergangenen Monaten Milliardeninvestitionen in den USA angekündigt.

Arzneimittel sind die mit Abstand wichtigsten Exportartikel der Alpenrepublik. Derzeit sind sie von dem hohen 39-prozentigen US-Importzoll, der seit Anfang August für zahlreiche Schweizer Waren gilt, ausgenommen. Die Schweizer Regierung verhandelt mit den USA über ein neues Handelsabkommen – bislang ergebnislos.

An der Börse machten Novartis und Roche frühe Kursverluste von über zwei Prozent wieder wett. Auch der Index der europäischen Gesundheitswerte notierte leicht höher als am Vortag. In Frankfurt rutschten die Aktien von Merck um 0,8 Prozent ins Minus, während die Anteile von Bayer stabil notierten.

NEUE US-ZÖLLE AUCH AUF MÖBEL UND SCHWERE LASTWAGEN

Trump kündigte in der neuen Runde von Strafzöllen auch Abgaben auf Küchenschränke, Badezimmerwaschtische, Polstermöbel und schwere Lastwagen an. Der Chefökonom der Hamburg Commercial Bank (HCOB), Cyrus de la Rubia, sieht angesichts der neuen Volte des US-Präsidenten im Zollstreit Versäumnisse der EU beim Kommunizieren des Zollabkommens. “Die Tinte unter dem neuen Abkommen ist noch nicht ganz getrocknet und schon wirft Trump mit neuen Zöllen scheinbar alles wieder über den Haufen”, so der Experte. Tatsächlich habe das Abkommen von Ende Juli für weite Teile des bilateralen Handels keine Regelungen festgelegt, sondern sich im Wesentlichen auf Autos und Autoteile konzentriert.

(Bericht von Ismail Shakil, David Shepardson, David Lawder, Rocky Swift, Kantaro Komiya, Philip Blenkinsop, Paul Arnold, Dave Graham und Myria Mildenberger. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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